H5N1 im Landeanflug

Noch ist das Ansteckungsrisiko niedrig. Mischt sich aber das Vogelvirus mit einem Menschenvirus, wird es gefährlich

In Russland wurden infizierte Tiere entdeckt, in Brüssel beschlagnahmten Beamte vergrippte Vögel

VON HANNA GERSMANN

Medikamente werden an geheimen Orten eingelagert, damit sie keiner klauen kann. Das Gas, um massenweise Hühner zu töten, ist geordert. Fachleute fordern eine Grundgesetzänderung, um die Bevölkerung zu schützen. Deutschland bereitet sich auf die hochansteckende Vogelgrippe vor. Lange Zeit war die Gefahr weit weg, in Asien. Mit dem Virus H5N1, der Hühner sowie Menschen tötet, beschäftigten sich allenfalls Fernreisende. Nun rückt das Risiko näher.

„Wir nehmen das Schlimmste an“, hat gestern die grüne Bundesverbraucherministerin Renate Künast gesagt. Bund und Länder trafen sich in Bonn zu einer Lagebesprechung. Auch Tierärzte, Zollbeamte und Bauern nahmen teil. Den Fachleuten machen vor allem die illegalen Tierhändler, die Touristen und auch die Zugvögel Sorgen. Sie alle können das gefährliche Virus einschleppen. Deutschland ist in Alarmbereitschaft.

Die EU hat die Einfuhr von Geflügel schon verboten, und die Niederlande sperren Brieftauben, Hühner und Gänse in ihre Ställe. Mittlerweile gibt es nur noch wenige, die solche Maßnahmen für Panikmache halten. Das Risiko sei „derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt Reinhard Kurth, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI). Grund: H5N1, der in Asien in den letzten zwei Jahren 50 Menschen und Millionen von Vögeln getötet hat, wandert westwärts. In Russland wurden infizierte Tiere entdeckt, und am Flughafen Brüssel beschlagnahmten Beamte zwei vergrippte Vögel. Reisende hatten sie im Koffer geschmuggelt.

Noch ist das Risiko für den Menschen gering. Er steckt sich nur an, wenn er mit dem Tier in Berührung kommt. Die Wissenschaftler sind sich aber sicher, dass sich das Vogelvirus über kurz oder lang mit einem Menschenvirus mischt. Dann wird es richtig gefährlich: Springt das Supervirus erst mal von einer Person zur nächsten, sind alle sechs Milliarden Menschen bedroht.

Die Symptome gleichen einer normalen Grippe: Fieber, Husten, Halsweh. Fast jeder Dritte werde sich anstecken, schätzt das RKI. Allerdings könnte es auch mehr Menschen treffen, da – anders als bei der normalen Grippe – bisher niemand mit dem dann mutierten Virus in Berührung gekommen ist. Die Bevölkerung sei „immunnaiv“, nennen das die Experten. Im Fall der Fälle käme die Wirtschaft zum Stillstand. Schäden in Milliardenhöhe entstünden, prognostiziert RKI-Chef Kurth. Der oberste Virologe Deutschlands, dessen Institut dem Gesundheitsministerium untersteht, konstatiert zugleich: Die Republik wappnet sich nicht richtig. Dabei ist die Vorsorge längst angelaufen.

Die Bundesländer haben für 10 Prozent der Bevölkerung virenhemmende Medikamente bestellt und eingelagert. Sobald die Grippewelle rollt, sollen sie an Ärzte in Krankenhäusern, an alte und kranke Menschen ausgegeben werden. Der Vorrat aber, fordert aber RKI, müsse verdoppelt werden. Zahlen soll der Bund. Ohne eine Änderung des Grundgesetzes geht das jedoch nicht: Pillenkauf ist Ländersache.

Vorbeugen ist bisher nicht möglich. Zwar arbeiten Wissenschaftler fieberhaft an einem Impfstoff. Doch die Aufgabe ist kompliziert. Normalerweise werden Viren in Hühnereiern vermehrt, um dann dagegen Impfstoffe zu entwickeln. Bei der Vogelgrippe geht das nicht, weil sie sich gegen Hühner richtet: Die Viren töten die Eier ab, in denen sie doch eigentlich gezüchtet werden sollten. Mit „Höllenaufwand“, so ein Forscher, würden deshalb im Reagenzglas künstlich neue Viren geschaffen, um zu Impfstoffen zu gelangen. Diese Anstrengungen gleichen einem Blindflug: Denn H5N1 ist mutiert, wenn er für den Menschen gefährlich wird.

Etwas vielversprechender sieht es daher bei einem Serum aus, mit dem Geflügelfarmer ihre Tiere schützen könnten. Dort steht der Erreger immerhin fest. Bislang war eine vorbeugende Impfung im Hühnerstall aber nicht zulässig. Grund: Ein krankes Huhn ließe sich nicht mehr erkennen. Das Problem haben Wissenschaftler des Friedrich-Löffler-Instituts auf der Forschungsinsel Riems nun überwunden. Sie kreierten einen neuen Impfstoff, indem sie ein Stück Erbinformation des Geflügelpest-Erregers in ein Herpesvirus einbauten. Die Tiere werden immun, und doch bleibt eine natürliche Infektion ersichtlich. Allein: Noch ist der Impfstoff zu teuer für Farmer billiger Grillhähnchen.