Nachhaltige Verständigung

AUSPROBIEREN Das „Camp“ der Experimentdays ist ein Ort der Kommunikation und ein Aktionsraum rund ums Wohnen in der Stadt

Das Camp bietet Möglichkeiten der Weiterentwicklung bei laufendem Betrieb

VON MAREEN SCHOLL

Erstmalig gibt es dieses Jahr ein „Camp“ bei den Experimentdays – einen selbstorganisierten Ideen- und Aktionsraum, an dem sich jedeR beteiligen kann. Das Camp ist vorrangig ein Ort der Kommunikation auf dem Gelände der ufaFabrik, an dem verschiedenste Menschen zusammenkommen: Nachbarn, Besucher von Konzerten und Camp-Bewohner. Hier sollen Meinungen und Ideen ausgetauscht und dokumentiert werden, denn Nachhaltigkeit hat immer mit Verständigung zu tun.

Ausgangspunkt ist das gemeinsame Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen, die sich auf kreative wie pragmatische Weise mit den aktuellen Entwicklungen des urbanen Umfelds auseinandersetzen. Selbstorganisierte Wohnprojekte, Genossenschaften und seit einer Weile auch Baugemeinschaften erproben und fördern neue Ansätze solcher experimentellen wie solidarischen Gemeinschaften, innovative Anwendungen von Umwelttechnologien, alternative Strategien des Umgangs mit Grund und Boden oder Beteiligungsmöglichkeiten an städtischen Entwicklungen.

Die Umsetzung bezahlbaren Wohnens und kreativer wie alternativer Experimente in der Innenstadt werden aber zugleich oft schwieriger, die soziale Mischung der Kieze schwindet, gewachsene Strukturen fallen wirtschaftlichen Nutzungsinteressen und steigenden Miet- bzw. Grundstückspreisen zum Opfer. Dennoch entstehen immer mehr soziale Wohnkulturen, die gemeinschaftlich, selbstorganisiert und nicht spekulativ sind. Auf dem Gelände der ufaFabrik will das Experimentcity Camp ab heute ein Ort der praktischen Verhandlung über die Zukunft unseres Zusammenlebens in Berlin. Wie wollen wir wohnen? Was hat Berlin an nachhaltigen Ideen zu bieten? Was bedeutet heute städtische Gemeinschaft?

Im Camp ist jeder aufgerufen mitzudiskutieren, an eigenen Wohnvisionen zu bauen und zu experimentieren. Alle Interessierten sind eingeladen, vorbeizukommen und mitzumachen. Das Camp ist ein Spielfeld, ein offener Kreativraum für gemeinschaftliche Aktionen rund ums Wohnen und das Leben in der Stadt.

Jeden Morgen um 9 Uhr laden die BewohnerInnen des Camps und ihre Gäste dazu ein, gemeinsam in den Tag zu starten und Interessen und Planungen zu besprechen. Dazu wird mit „Dragon Dreaming“ improvisiert, einer Methode, die spielerisch aus Teams Gemeinschaften bildet und diese dabei unterstützt, aus Träumen nachhaltige Projekte zu entwickeln. In einer sich von Tag zu Tag verändernden Gruppe soll ein Camp gestaltet werden, das von Bewohnern und Besuchern gleichermaßen organisiert wird.

Ein umfangreiches Angebot an Workshops zu Themen wie natürlicher Farbenherstellung, Lehmbau und Stadtbegrünung stehen zudem genauso auf dem Programm wie kreatives „Upcycling“ von scheinbar nutzlosem Strandgut der Großstadt. Auch die Gestaltung des Camps bietet mannigfaltige Möglichkeiten der permanenten Weiterentwicklung bei laufendem Betrieb. Bauen und Experimentieren ist strengstens erlaubt! (Manches Werkzeug ist vorhanden, weiteres kann aber auch sehr gerne mitgebracht werden.)

In Vorträgen und Diskussionen werden die praktischen Vorteile von transparenten Stoffkreisläufen („Cradle to Cradle“) veranschaulicht wie auch die effiziente Regenwassernutzung. Dazu gibt es Veranstaltungen zum ökologischen Bauen und den Finanzierungsmöglichkeiten von gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Und wer zur bewohnerorientierten Wohnpolitik gleich ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid starten möchte, kann sich im Camp darüber informieren, wie man das macht.

■ Die Autorin (32) ist Kulturarbeiterin und organisiert das Experimentcity Camp. Mehr Infos zu Übernachtungen im und Beteiligung am Camp unter der Telefonnummer (01 76) 10 32 07 42