berliner szenen
: Früher war noch vieles besser

Am Kottbusser Damm betrete ich eine ­dieser Discounter­apotheken. Es gibt keinen Tresen, auf den man geradewegs zusteuern kann. Die Apotheke wirkt wie ein Drogeriemarkt, in dem jeder Artikel im Angebot ist. Das ist praktisch, da ich nur eine einzige Gesichtscreme vertrage, die selbst im Angebot 13 Euro kostet. Ich denke an früher – ja, da war noch vieles besser. Zumindest habe ich bis Mitte zwanzig noch Wein und Gesichtscremes für unter 3 Euro gut vertragen. Um nicht noch melancholischer zu werden, laufe ich zielstrebig zum Regal mit der überteuerten Gesichtscreme. Ich will gerade zu einer Verpackung greifen, da sehe ich, dass es das Produkt für meinen hypersensiblen Hauttyp in zwei Versionen gibt: Creme und Emulsion. Hmm. Was ist überhaupt eine Emulsion? Ich brauche Hilfe.

Ich schaue mich um und sehe eine Verkäuferin, die gerade im Gespräch ist. Ich stelle mich daneben. Der Kunde sagt: „Mein Neffe hat starken Haarausfall, verstehen Sie?“ Er zeigt auf das Haar seines etwa 25-jährigen Begleiters, das tatsächlich etwas dünner am Ansatz ist, was möglicherweise auch am stark zurückgerissenen Zöpfchen liegt. Ein klarer Fall von Traktionsalopezie, also selbst verursachtem Verlust von Haaren durch das Binden von Zöpfen.

„Wir brauchen ein richtig starkes Mittel dagegen. Nicht nur irgendein Shampoo, das bringt nichts!“, sagt der Onkel sichtlich aufgebracht. Es macht den Eindruck, als ob die Fülle der Haare über Leben und Tod entscheide. Die Verkäuferin nimmt die beiden mit zum Computer und tippt, während der Neffe nervös hin und her wippt. „Ich habe etwas gefunden“, sagt sie. „Das ist ein sehr wirksames Serum, kostet aber 69 Euro.“ Der Neffe schüttelt den Kopf und greift dann doch zum Shampoo. Früher, ja früher, da war bestimmt auch noch bei ihm vieles besser. Eva Müller-Foell