Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Sahel, so steht es bei Wikipedia, ist die in Afrika liegende Übergangszone vom eigentlichen, sich nördlich anschließenden Wüstengebiet der Sahara bis zur Trocken- bzw. Feuchtsavanne im Süden. Sahel ist Arabisch und bedeutet übersetzt etwa „das Ufer der Wüste“. Im Sahel-Gebiet liegen mit Nigeria der reichste und mit Eritrea und Niger gleich auch die ärmsten Staaten Afrikas. Aber auch der Tschad, Mali oder Burkina Faso zählen zu den Sahel-Ländern, wo sich aktuell eine ganze Generation von Künstler*innen mit Meinungsfreiheit, Menschenrechten, dem Kampf gegen Fundamentalismus und Friedenskultur beschäftigt – oder besser: beschäftigen muss – denn politisch ist die Lage in vielen Ländern unübersichtlich bis instabil.
Das HAU hat den Sahel-Ländern nun ein Festival gewidmet, „Timbuktu Is Back!“ von Alex Moussa Sawadogo kuratiert, Kunsthistoriker und Kulturmanager aus Burkina Faso, der seit 2005 in Berlin lebt. Präsentiert werden Tanz, Performance, Diskurs und Film, darunter Kassim Sanogos Film „Gao, la résistance d’un peuple“ über bürgerkriegsähnliche Konflikte in Mali, Salia Sanous Choreografie „Du desir d’horizons“, in die er Erfahrungen aus Flüchtlingslagern in Burundi und Burkina Faso einfließen ließ, die vor der dschihadistischen Besatzung in ihren Ländern flohen. Ein Highlight verspricht der Abend „Kirina“ von Serge Aimé Coulibaly zu werden, deren Auslöser die sogenannte europäische Flüchtlingskrise von 2015 war, deren menschenverachtende Beschreibung den Choreografen aus Burkina-Faso stark beschäftigt hat und für die der senegalesische Ökonom, Autor und Musiker Felwine Sarr das Libretto schrieb.
Mit Spannung kann man auch den Abend „Tapis Rouge“ von Nadja Beugré erwarten, der sich mit der Frage auseinandersetzten wird: Was verdeckt der rote Teppich, der den Mächtigen in Afrika und der ganzen Welt ausgerollt wird? (HAU: „Timbuktu is back!“, 3.–9. 4. Alle Infos: www.hebbel-am-ufer.de).
Im Ballhaus Naunynstraße gibt der brasilianische Tänzer, Videokünstler und Schauspieler Zé de Paiva sein Regiedebüt. „Cyclops“ heißt die intermediale Performance, in der er sich – gemeinsam mit der Tänzerin Nasheeka Nedsreal – vorgenommen hat, die postkoloniale Bildordnung zu verzerren. Denn was wir Wirklichkeit nennen, ist eine Collage von Bild und Materie, lautet die These des Abends, der nun die Kamera als Waffe und Machtinstrument befragt: Wer produziert die Bilder? Wer führt die Kamera, bestimmt den Ausschnitt, wer bedient den Auslöser? (Ballhaus Naunynstrasse: „Cyclops“, ab 4.–6. 6., jeweils 20 Uhr, 7. 4.,19 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen