Als die Alster zum Amazonas wurde

Zwischen 1915 und 1937 wurden etliche Filme in den Hamburger Stummfilmstudios „Vera Filmwerke“ gedreht. Die meisten von ihnen sind heute sind verschollen. Was noch erhalten ist, wird am Sonntag im Hamburger Filmkunsttheater Magazin gezeigt

Die Vera-Filmwerke in den frühen 1920er-Jahren Foto: gemeinfrei

Von Wilfried Hippen

Nein, eine Filmmetropole war Hamburg in den 1920er-Jahren sicher noch nicht. In Berlin und München wurden die großen Stummfilme produziert, die Hanseaten wollten mit der neuen, flatterhaften Kunst erst mal nicht viel zu tun haben. Ab 1915 gab es immerhin die Filmproduktionsgesellschaft „Vera Filmwerke“ in Hamburg Alsterdorf mit Studios, Ateliers, einer Kopier- und Trocknungsanstalt sowie eigener Stromproduktion in einem sogenannten „Lichtwerk“.

Der Stolz der Firma war ein Glasdachatelier, das durch eine Versenkung in ein großes Schwimmbassin verwandelt werden konnte. Mehr als 150 Spiel- und Werbefilme wurden dort produziert. Aber kaum große Filmkunst, sondern stattdessen Genreschinken wie „Die Rache des Sträflings“ von 1915, „Der Mohr, die Liese und das Affenhaus“ von 1920, sowie „Strandgut der Leidenschaft“ und „Heideröslein“ (beide von 1921). Fast alle davon sind verschollen.

Für exotische Abenteuerfilme wurde das Filmgelände direkt an der Alster umdekoriert und ging dann etwa mit ein paar Lianen als Dschungel des Amazonas durch. Und die Alsterkrugchaussee wurde als Drehort für Autorennen genutzt. Der einzige bekannte Name, mit dem die Firmengeschichte aufwarten kann, ist Gustaf Gründgens, aber von ihm wurden nur Probeaufnahmen gemacht, die auch verschollen sind.

Der letzte dort gedrehte Film, bevor die Firma im Jahr 1937 Pleite ging, wurde dann auch der bekannteste: Teile des Tonfilms „Razzia in St. Pauli“ wurden in den Studios produziert, aber die Filmhistoriker streiten darüber, ob hier noch einmal das Glasdachatelier der Vera zum Einsatz kam oder die Dreharbeiten für alle Innenaufnahmen in Berlin stattfanden.

Ebenfalls auf eine lange Tradition kann das Kino-Magazin mit der schönen Adresse Fiefstücken 8a aufwarten: Die Betreiber nennen es stolz das „älteste Lichtspielhaus von Hamburg“. Betrieben wird es seit 1925, seit 1974 als „Filmkunstheater“. Wohl auch deshalb wird dort die Filmgeschichte gepflegt.

Am Sonntag um 15 Uhr werden die „Vera Filmwerke – Stummfilm-Hollywood von Hamburg-Alsterburg“ (so die Programmankündigung) geehrt. Gezeigt wird im Rahmen eines „unterhaltsam informativen Filmnachmittags“, so die Ankündigung, eine Auswahl von Stummfilmen, die in den Vera-Filmwerken gedreht wurden, darunter selten gezeigte Kultur- und Werbefilme sowie ein (im Programm ungenannter) Tonfilm, der in Hamburg auf St. Pauli spielt. Na dann raten Sie mal!