: Die Mär von goldenen Erträgen
Deutschland ist Windweltmeister. Doch der Grund dafür sind nicht Luxusvergütungen, sondern weitgehend unbürokratische verlässliche Förderbedingungen. In Italien wird mehr für Windstrom bezahlt, aber es werden kaum noch Anlagen errichtet
VON BERNWARD JANZING
Gegner der Windkraft reden in Deutschland gern von den Kosten: Zu teuer sei der Strom aus den Turbinen, viel zu hoch die garantierte Vergütung. Und als Beweis muss der Erfolg der Windkraft in Deutschland herhalten. Getreu der These: Die Windkraft boomt hierzulande, weil der Gesetzgeber die Erträge vergoldet.
Doch die Realität ist eine andere. Deutschland liegt mit seinen Einspeisevergütungen im europäischen Vergleich auf einem mittelmäßigen Niveau. Länder, die deutlich höhere Sätze bezahlen, brachten die Windkraft trotzdem kaum voran. So liegt der Grund für die Erfolge in Deutschland nicht in der Höhe der Vergütungssätze, sondern in der langfristigen Verlässlichkeit und der unbürokratischen Umsetzung.
In Deutschland bekommt ein Windmüller, der in diesem Jahr eine Anlage ans Netz bringt, eine Vergütung von 8,53 Cent je Kilowattstunde für mindestens fünf Jahre garantiert. Frühestens nach fünf Jahren – an windärmeren Standorten nach einer Formel definiert erst einige Jahre später – sinkt die Vergütung auf nur noch 5,39 Cent je Kilowattstunde. Nach 20 Betriebsjahren läuft die garantierte Einspeisevergütung dann aus.
Und weil der Gesetzgeber die Anlagenbauer zu Preissenkungen motivieren will, sinken die Vergütungssätze für Neuanlagen um zwei Prozent jährlich. Bislang hat die Industrie diesen Rückgang der Einspeisevergütungen immer mit ihren Anlagenpreisen nachvollziehen können – so wurde Windstrom stetig billiger. Vor 15 Jahren kostete er noch etwa zweieinhalbmal so viel wie heute.
Andere Länder haben der Windbranche weniger abgefordert – sie bezahlen im Vergleich zu den deutschen Sätzen satte Einspeisebeträge. Italien zum Beispiel vergütet als Spitzenreiter den Windmüllern nach einer Aufstellung des Bundesverbandes Windenergie (BWE) in diesem Jahr rund 15,5 Cent je Kilowattstunde. Diese Vergütungshöhe errechnet sich aus dem Preis für Umweltzertifikate, die der Staat den Anlagenbetreibern gewährt, sowie dem Marktpreis des Stroms. An zweiter Stelle steht Belgien mit etwa 13 Cent, gefolgt von Luxemburg mit 10,5 und Großbritannien mit umgerechnet 10,1 Cent.
Auf den ersten Blick skurril muss nun die Erkenntnis erscheinen, dass es gar nicht die Länder mit den höchsten Einspeisevergütungen sind, in denen die Windkraft boomt, sondern andere. Mit jeweils rund vier Watt Neuinstallation pro Einwohner im Jahr 2004 lagen Italien und Großbritannien weit hinter Deutschland zurück, das auf über 24 Watt kam. Spanien als Spitzenreiter erreichte zuletzt gut 50 Watt pro Kopf an jährlichem Zubau. Dabei sind auch in Spanien – ähnlich wie in Deutschland – die Vergütungen mit 6,3 bis 7,5 Cent je Kilowattstunde sehr moderat.
Offenkundig wird damit, dass es nicht die Vergütungshöhe alleine ist, die den Ausbau der Windkraft voranbringt. Es ist auch die Art des Förderinstruments: Die Länder mit einem Einspeisegesetz, das feste Sätze definiert, erweisen sich schlicht als erfolgreicher gegenüber jenen Ländern mit (oft komplizierten) Quotenregelungen.
Ein solcher Fall ist auch Großbritannien. Dort müssen alle Stromversorger seit 2002 zu einem festgelegten Prozentsatz grünen Strom entweder selbst produzieren oder Zertifikate (Renewable Obligation Certificates, ROC) erwerben. Für jedes Jahr definiert der Staat – fast wie einst in den Ländern der Planwirtschaft – eine Quote an Ökostrom, die es zu erzielen gilt. Unternehmen, die die Quote nicht erreichen, können dies durch den Kauf von Zertifikaten kompensieren. Andernfalls zahlen sie Strafe.
Um Investoren den Bau von Windkraftanlagen schmackhaft zu machen, bekommen sie für den erzeugten Strom die betreffenden Zertifikate erteilt, deren Preis sich im Rahmen einer Auktion ergibt; er lag in letzter Zeit bei durchschnittlich 7,0 Cent je Kilowattstunde. Hinzu kommen eine Steuerbefreiung für erneuerbare Energien sowie der Marktpreis des Stroms. Damit bekommen britische Ökostromer derzeit umgerechnet etwa zehn Cent je Kilowattstunde vergütet – fast ein Drittel mehr, als in Deutschland derzeit im Mittel bezahlt wird.
Dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Großbritannien dennoch weit hinter den Entwicklungen in Deutschland zurückbleibt, hat einen einfachen Grund: Es fehlt die Planungssicherheit. In Deutschland können Investoren dank gesetzlicher Garantie mit 20-jährigen Einspeiseverträgen planen. Und weil sie ihren Strom schlicht einspeisen und dafür bezahlt werden, ist auch der Verwaltungsaufwand minimiert. Demgegenüber sei, bilanziert auch der BWE, „bei Quotenmodellen mit erheblichen Transaktionskosten für Organisation, Umsetzung und Kontrolle zu rechnen“.
Dass den Investoren pragmatische Lösungen und Planungssicherheit mehr wert sind als höhere, aber unsichere Sätze, zeigt die Entwicklung im internationalen Vergleich: Deutschland liegt mit 17.000 Megawatt installierter Leistung an der Spitze weltweit, gefolgt von Spanien mit etwa der halben Leistung. So trägt das deutsche Vergütungssystem mit auskömmlichen und stetig sinkenden Vergütungen am besten dazu bei, die Kosten der Kilowattstunde Windstrom immer weiter zu reduzieren.
Unterdessen hat sich übrigens gerade in den vergangenen Monaten sehr deutlich gezeigt, dass der Windstrom gar nicht mehr so weit von den Marktpreisen entfernt ist, wie es Kritiker gerne behaupten. Wie gesagt sind es 5,39 Cent, die eine heute installierte Windkraftanlage in Deutschland nach der fünfjährigen Startphase pro Kilowattstunde erhält. In Relation dazu muss man sich die Strompreise im Großhandel betrachten: An der Leipziger Strombörse EEX lag der mittlere Strompreis im Juni bei 4,67 Cent. Kontingente für 2006 wurden in diesen Wochen zwischen 4,5 und 4,6 Cent gehandelt. Das heißt, die Vergütung für Windstrom liegt in diesem Fall nur weniger als einen Cent über dem Marktpreis.
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