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Fanny Rinne hat das deutsche Hockeyteam ins Halbfinale der Europameisterschaft geführt – spielerisch leicht

DUBLIN taz ■ Zwei Minuten vor dem Spielende wirft sie ihren Hockeyschläger in die grüne Mülltonne, dass es scheppert. Die Abfalltonne steht direkt am Spielfeldrand, wer immer den Einfall hatte, sie aufzustellen, es war eine praktische Idee. Die Spielerinnen deponieren dort ihre Schläger, wenn sie ausgewechselt werden und auf den nächsten Einsatz ein paar Minuten später warten. Nun rumst es bei der EM in Dublin im Vorrundenspiel zwischen Deutschland und England in der Tonne, so dass man auf der Tribüne zusammenzuckt. Dann sieht man: Es war Fanny Rinne, und lehnt sich wieder entspannt zurück. Sie wird wieder einmal zu viel Energie gehabt haben.

Rinne spielt Hockey ohne theatralische Gesten, ohne laute Worte. Sie gehört wie der niederländische Fußballer Denis Bergkamp zu denen, die auf dem Spielfeld in ihrer Körpersprache mehr wie Musiker wirken: eingeschlossen in ihre Welt. Sie strahlen die Dominanz nicht aus. Sie haben sie. Solche Sportler sind selten. Mit 25, im siebten Jahr in der Nationalelf, ist Rinne, hochaufgeschossen, sanfte Züge, die Spielerin für die besonderen Momente. Bei dem Olympiasieg vor einem Jahr in Athen wurde es noch vertuscht, weil sie als dritte Innenverteidigerin in der Masse des Teams aufging. In Dublin ist sie als Spielmacherin zurück im Mittelfeld. Es ist eine Offenbarung: Sie schickt Pässe los, für die es Visionen braucht, und sie schießt auch noch die meisten Tore, sechs bis zum Halbfinale gegen Spanien, das bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet war. „Ich strecke meine Fühler in alle Richtungen des Spiels aus“, sagt sie.

Sie ist ein Kassettenrekorder an diesem Abend im Hotel Montrose, ihrem Quartier in Dublin: Sie trägt ein T-Shirt mit den Play-Zeichen eines Rekorders auf der Brust, die Mannschaft hat sich diese Hemdchen für die EM machen lassen. Die Torfrauen haben Shirts mit dem Stop-Zeichen, den Trainern haben sie das Eject-Zeichen verpasst.

Selbst wie sie in Jeans und T-Shirt in der Hotellobby sitzt, ist es unverkennbar, dass sie zurzeit überragend spielt. Denn die Euphorie, das Glück erfolgreicher Sportler, hat ihr Gesicht in Besitz genommen. Der Olympiasieg glüht noch in ihr. Immer wieder wird sie gefragt, was denn Athen nun gebracht hat, und es ist erstaunlich, dass die meisten immer nur meinen: was es ihr finanziell gebracht hat. Nicht viel, in dieser Beziehung. Sie hat auch „kein Haus in der Karibik erwartet, ich kenne doch meine Sportart“, sie spielt vor 200 Zuschauern in der Bundesliga, warum sollte sie gigantische Werbeverträge bekommen? Sie kann sich auch darüber freuen, dass an der Universität Mannheim, wo sie Sport studiert, ein paar Kommilitonen, die nur Fußball im Kopf haben, ihr gestanden: Das Hockeyfinale in Athen haben sogar sie sich angeschaut. Was Olympia ihr gegeben hat, ist ein Gefühl, aber für sie ist das größer, als die, die immer nur nach Geld fragen, je verstehen werden: Das Glück von Athen bringt sie in Dublin auf ein höheres Niveau. „Ich laufe nach den Bällen, weil ich weiß, was für ein Glücksgefühl am Ende eines Sieges stehen kann, weil ich es unbedingt wieder spüren will.“

Der Rekorder springt auf Stop, Band zu Ende, nicht der auf ihrem T-Shirt, sondern der, der das Interview aufzeichnet. Soll er wieder auf Aufnahme gestellt werden, oder gehört das Folgende nicht in die Zeitung? „Schon in Ordnung“, sagt sie und erzählt von der Trennung von ihrem Freund, der ihr Bundestrainer ist: Markus Weise. Es sei noch „immer etwas Besonderes, dass Markus da draußen steht“, und besonders heißt wohl: nicht einfach. Aber ihr Umgang sei trotz Trennung der normale zwischen Trainer und Spielerin, wovon man sich beim 1:0-Sieg über England überzeugen konnte. „Fanny, warum schießt du die flach?“, fluchte Weise nach einer vergebenen Strafecke. Rinne entgegnete: „Die war nicht flach“, und spielte weiter ihr Spiel.

RONALD RENG