Durchgangsstation neuen Typs

Der Terror gegen die eigene Bevölkerung war ein Wesensmerkmal des Naziregimes. In Berlin ist nun die Ausstellung über das „Hausgefängnis“ der Gestapo eröffnet worden

Schon kurz nach der „Machtübernahme“ der Nazis wurde die Adresse „Prinz-Albrecht-Straße 8“ zu einem Synonym des Schreckens. Die gerade frisch gegründete Geheime Staatspolizei (Gestapo) bezog hier, in den Räumen der ehemaligen Kunstgewerbeschule, ihr Quartier. In die Kellerräume der Prinz-Albecht-Straße 8, wo das „Hausgefängnis“ alsbald eingerichtet wurde, wurden sie alle eingeliefert, ob sie nun einen Witz über Hitler gerissen und denunziert worden waren oder ob sie dem organisierten Widerstand angehörten. Von den Kellerräumen, wo die Inhaftierten, Tage, Wochen, manchmal Monate einsaßen, wurden sie zu den Verhören in den oberen Geschosse abgeholt. Oft genug war „verschärftes“ Verhör, sprich Folter angesagt, so dass eine Reihe der Inhaftierten durch einen Sprung aus dem Fenster der Qual ein Ende machen wollten. Schließlich wurde, um Selbsttötungen zu verhindern, ein Fahrstuhl ins Treppenhaus eingebaut.

Das Hausgefängnis war also ein Untersuchungsgefängnis, eine Durchgangsstation, von der aus allerdings kaum ein Weg in die Freiheit zurückführte. Denn die Gestapo war ermächtigt, auch präventive „Schutz“-Haft zu verhängen, die Verdächtigen nach Verhör in Konzentrationslager einzuliefern. Diese Staatspolizei wurde zu einem Baustein des wichtigsten nazistischen Terrorinstruments, des Reichssicherheitshauptamtes. Eines Apparats neuen Typs, nicht den überkommenen staatlichen Repressionseinrichtungen vergleichbar. Und geleitet von den Überzeugungstätern und Karrieristen der „Generation der Unbedingten“, wie Michael Wildt das Führungskorps des Amtes genannt hat.

Von den Ort des Schreckens ist, von einigen Zellenböden abgesehen, kaum etwas erhalten geblieben. Das Gebäude wurde bombardiert, die Täter vernichteten belastendes Material, so viel sie konnten, die stehen gebliebenen Fassaden wurden von einer Nachkriegsgeneration beseitigt, die nicht erinnert werden wollte. Dies änderte sich erst in den Achtzigerjahren. Im Gefolge der kritischen „Aufarbeitung“ entstand am historischen Ort die Ausstellung „Topografie des Terrors“. Es wurde beschlossen, hier einen Ausstellungsbau zu errichten. Dazu gehörte, quasi im Vorgriff, auch das Projekt, dem Hausgefängnis eine Ausstellung zu widmen. Das Unternehmen sollte schon vor zwei Jahren Wirklichkeit werden, scheiterte aber an den bekannten, unrühmlichen Auseinandersetzungen über den Museumsbau und am Ausbleiben der Mittel.

Die jetzt eröffnete Ausstellung hat das Beste aus diesen misslichen Umständen gemacht. Im Freien bildete man drei aufeinander folgende, von Gittern begrenzte und mit Kies ausgelegte Kreise. An diesen mehrere Meter hohen Gittern wurden 250 Fotos und 70 Dokumente halbwegs wetterfest befestigt. Gut lesbare, zweisprachig auf Deutsch und Englisch gehaltene Tafeln führen in die Kapitel der Ausstellung ein. Eine Art der Präsentation, die ohne aufdringliche Symbolisierungen auskommt, aber doch ein Gefühl vom Schrecken des Ortes vermittelt.

Die Ausstellungsmacher haben sich nicht damit begnügt, die bekannten Gegner des Hitlerregimes, die das Hausgefängnis durchliefen, auf den Fototafeln in Erinnerung zu rufen. Besonders eindrucksvoll sind die in großer Reihe dokumentierten Polizeifotos der eingelieferten, oft ganz unbekannt gebliebenen Widerständler. Diese Polizeifotos sind bis jetzt noch nicht dokumentiert worden. Die Ausstellung bemüht sich auch, jede historische Herabsetzung von Häftlingen, die später, als Kommunisten, im Realsozialismus führende Funktionen einnahmen, zu vermeiden.

Die Täter, Erzverbrecher wie im Dunkeln gebliebene Schergen, werden exemplarisch vorgeführt. Deutlich veranschaulicht die Ausstellung, dass nur wenige dieser Verantwortlichen nach 1945 vor deutschen Gerichten standen. Und wo dies der Fall war, hatten sie kaum je eine Strafe abzubüßen. Wer darüber mehr erfahren will, sollte zu der erwähnten Monografie Michael Wildts greifen.

In letzter Zeit hat man bei der Lektüre zeitgeschichtlicher Studien manchmal den Eindruck, eine Terrorinstitution wie die Gestapo sei eigentlich überflüssig gewesen, weil die Deutschen in ihrer übergroßen Mehrzahl das Regime unterstützten und von ihm profitierten. Es gehört nicht zu den geringsten Verdiensten solcher Ausstellungen wie die über das Hausgefängnis, hier die Gewichte zurechtzurücken. Der Terror auch gegenüber dem „eigenen“ Volk gehört nun mal zu den Wesensmerkmalen des Nazifaschismus.

Texte wie Fotos der Ausstellung sowie eine Liste der bislang bekannt gewordenen Häftlinge sind in einem gut lesbaren Katalog versammelt.

CHRISTIAN SEMLER

„Das ‚Hausgefängnis‘ der Gestapo-Zentrale in Berlin. Terror und Widerstand 1933–1945.“ In der Topographie des Terrors, Berlin. Der Ausstellungskatalog kostet 10 €.