Wiedervereinigung der Linken schon 2006?

Die ungleichen Partner PDS und WASG bekräftigen ihren Willen zur Parteineugründung und drücken aufs Tempo

BERLIN taz ■ Es gehört zu den eher kuriosen Erscheinungen dieser an Merkwürdigkeiten ohnehin reichen Bundestagswahl, dass eine neue Linkspartei antritt, die gar keine neue Linkspartei ist, sondern nur die alte, umbenannte PDS mit dem Anhängsel WASG. Die Spitzen beider Parteien sind sich dieses Kuriosums sehr wohl bewusst, und so haben sie nicht ganz zufällig gestern ihr Vorhaben einer Parteineugründung bekräftigt, also an dem Tag, an dem die Landeswahlausschüsse über die Zulässigkeit der PDS-Listen entschieden.

„Unsere Kooperation ist auf Langfristigkeit und Dauerhaftigkeit angelegt“, sagte Lothar Bisky, Chef der Linkspartei.PDS, in Berlin. „Wir wollen eine neue Partei.“

Bis wann diese neue Partei gegründet sein soll, ließen Bisky und WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst offen. Gregor Gysi spricht immer von einer Perspektive von zwei Jahren. „Ich hoffe, dass wir das schneller hinkriegen“, sagte Ernst gestern. Zwei Jahre bezeichnete er in seinem urigen bayerischen Dialekt als „die maximale Kante“. Überhaupt stach Ernsts kräftige, unverblümte Sprache auf der Pressekonferenz heraus. Die neue Linkspartei nannte er schon mal „dös Ding“, die Parteimitglieder bezeichnete er mit rollendem „r“ als „die Trrrruppe“, und als ihn ein Journalist auf die SED-Vergangenheit ansprach, entfuhr es ihm: „Wenn mir einer erzählt, ich hätte etwas mit der SED zu tun, dann hat er nicht alle im Tee.“

Die Vereinigung von PDS und WASG ist etwas für geschulte Dialektiker. Der Zusammenschluss darf nicht zu lange dauern, damit die große Chance nicht verspielt wird. Er darf aber auch nicht zu schnell durchgezogen werden, damit sich die Mitglieder nicht überfahren fühlen. Sowohl bei PDS als auch bei WASG sind Urabstimmungen geplant. Das Projekt gelinge nur, so Ernst, „mit einer starken Partei im Westen“. Der geschulte Nichtdialektiker aus Bayern verriet im Nebensatz, warum trotzdem ein hohes Tempo angeschlagen werden soll: „Es wäre schön, wenn wir damit das Berlin-Problem erschlagen könnten.“

In Berlin mögen sich PDS und WASG ganz besonders. Die WASG hat bereits beschlossen, bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2006 gegen die PDS antreten zu wollen. Aber genau solche Konkurrenzkandidaturen wollen PDS und WASG in Zukunft ausschließen. „Wir werden bei Kommunal- oder Landtagswahlen nicht mehr gegeneinander antreten“, betonten Bisky und Ernst. Im Klartext: Bei den Wahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im März 2006 wird entweder nur die Linkspartei.PDS oder die WASG ins Rennen gehen. Die autonome Entscheidung darüber liegt aber bei den Landesverbänden. „Ich glaube an die sanfte Gewalt der Vernunft“, sagte Bisky. Zu den Wahlen in Berlin könnte dann schon die neue Linkspartei antreten.

Für alle Streitfälle bis dahin wollen beide Parteien – typisch Linke – eine Clearing-Gruppe einrichten. Ihre Aufgabe: „Missverständnisse und Konflikte ausräumen“ sowie „gravierende Vorwürfe und Zerwürfnisse moderieren“. JENS KÖNIG