Mythos Werte
: Der Staat wird weiter privatisiert
AUS ROM MICHAEL BRAUN

Als Silvio Berlusconi sich 1993 anschickte, seine Partei Forza Italia aus der Taufe zu heben, wusste er angeblich nicht, wohin mit seinem Verein. Rechts, links, Mitte? Wahlforscher, so das Gerücht, hätten ihm dann weitergeholfen mit der Auskunft, Platz für das neue Produkt sei bloß in der rechten Mitte, weil da durch die Auflösung der Christdemokraten ein Vakuum entstanden sei.

Der Medienunternehmer, der ganz unideologisch in der Politik operiert: Das passt zum Image Berlusconis. Noch heute rühmt er seine Forza Italia für ihre politische Breite: Konservative und Liberale seien genauso zu Hause wie Sozialisten. Zugleich hat Berlusconi Italiens Politik so ideologisch aufgeladen, als stünden Stalins Mannen vor den Toren Roms. „I comunisti“ sind ihm eine allgegenwärtige Drohung, gegen die er die Demokratie verteidigen muss.

Freie Fahrt für die Privaten lautet eine der Maximen der italienischen Rechtsregierung: (Katholische) Privatschulen werden nach Kräften gefördert, die öffentlichen Schulen müssen mit immer geringeren Mitteln auskommen. Ähnlich ist die Bilanz im Gesundheitswesen oder bei kommunalen Dienstleistungen: Berlusconi trocknet die öffentlich angebotenen Dienste durch immer neue Mittelkürzungen aus. Das Geld nämlich braucht er anderswo. Bei der letzten Steuerreform zum Beispiel verteilte der Staat sechs Milliarden Euro – vorzugsweise an die gut situierten Bürger. Den anderen hatte Berlusconi eine erbittert gegen die Gewerkschaften durchgefochtene Arbeitsmarktreform zu bieten, die auf totale „Flexibilisierung“ setzt. Und wenn das Geld beim Einkaufen nicht mehr ausreicht, springt Berlusconi seinen Bürgern mit Einkaufstipps zur Seite: Sie sollten es halt wie seine Mamma machen und erst mal auf dem Markt alle Preise vergleichen, statt beim erstbesten Händler die Äpfel zu kaufen.