Patientenbeauftragte gegen Apotheker

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Euskirchen-Erftstadt II

Euskirchen-Erftstadt II?

Der Wahlkreis 93 ist der südwestlichste im Land Nordrhein-Westfalen und umfasst die elf Gemeinden des Kreises Euskirchen, darunter das bekannte „Kneipp-Heilbad mit Schwung“ Bad Münstereifel, sowie die Städte Erftstadt, Wesseling und Brühl. Während der westliche Teil des Wahlkreises vor allem viel Gegend zu bieten hat (zum Beispiel den Naturpark Nordeifel), gehört der östliche Teil mit Erftstadt und Wesseling schon zum „Kölner Chemiegürtel“.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Doktor Wolf Bauer (CDU). Der selbstständige Apotheker aus Euskirchen sitzt schon seit fünf Legislaturperioden für den Wahlkreis im Bundestag. Beim letzten Mal bekam er immer noch 44,9 Prozent. Kein Wunder, dass Bauer es nicht für nötig hält, sich über die Landesliste absichern zu lassen. Allerdings hat sich der 66-Jährige für seine Wiederwahl eine riskante Argumentation zurecht gelegt: Im Netz wirbt Bauer damit, dass er sich als Gesundheitspolitiker „maßgeblich an der Gestaltung unseres Gesundheitssystems beteiligt“ hat. Ob das angesichts von steigenden Beiträgen, sinkenden Leistungen und CDU-Kopfpauschale die richtige Wahlkampfstrategie ist, darf bezweifelt werden.

Wer will den Wahlkreis?

Helga Kühn-Mengel. Auch die 58-jährige Diplompsychologin aus Brühl kann als ausgewiesene Expertin für Gesundheitspolitik gelten: Die gebürtige Duisburgerin, die seit 1996 für die SPD im Berliner Reichstag sitzt, wurde im Dezember 2003 von der Bundesregierung zur ersten Patientenbeauftragten berufen. Und wie ihr Kontrahent lobt auch sie die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre – wegen der verbesserten Mitwirkungsrechte von Patienten. Wer dazu Fragen hat, oder sich als Patient über den einen oder anderen Missstand beschweren möchte: www.patientenbeauftragte.de.

Der große Außenseiter?

Arvid Bell (20), Ratsmitglied der Grünen in Euskirchen, ist nicht nur jüngster Direktkandidat, sondern auch Youngster auf der grünen NRW-Reserveliste (Platz 16). Logisch, dass der Politikwissenschaftsstudent nun mit seiner Jugend Maienblüte in den Wahlkampf zieht: „Als junger Kandidat stehe ich hier in Ihrem Wahlkreis für einen neuen Aufbruch“, lobt er sich selbst auf seiner Homepage. Genau das gleiche könnte allerdings auch der 24-jährige Michael Faber von der Linkspartei für sich in Anspruch nehmen. Im Vergleich damit gehört Gabriele Molitor (FDP) schon fast wieder zum altes Eisen: Die 1962 geborene PR-Journalistin war sieben Jahre stellvertretende Pressesprecherin ihrer Partei in Bonn. Viel gebracht hat ihr das nichts: Mit Listenplatz 23 bleibt die Freidemokratin eine reine Zählkandidatin.

Die taz-Prognose?

Der CDU-Bauer wird ein sechstes Mal in den Berliner Dschungel geschickt. Die Noch-Patientenbeauftragte Kühn-Mengel muss über Los gehen: Das ist dank Listenplatz 12 aber auch kein Problem. SUSANNE GANNOTT