Delikater Sound

Saite auf Aluminium: Ferdinand Förschs „Klanghaus“ aus selbst erfundenen Instrumenten bietet akustische Erlebnisse der anderen Art

von Walter F. Stettler

Wer ganz in der Welt der Klänge versinkt, wird mitunter empfindlich gegen die profanen Geräusche des Alltags. So steht der Journalist denn zum vereinbarten Termin ungehört vor der Tür von Ferdinand Förschs „Klanghaus“, in dem wirklich alles klingt und tönt – nur die Türglocke nicht.

Hat man es aber erst einmal geschafft, ins Innere der Eremitage des Perkussionisten in der Berzeliusstraße eingelassen zu werden, wird man reichlich belohnt. Seit 1997 lebt und arbeitet Försch hier inmitten selbst erfundener und gebauter Instrumente, die Namen wie „Arcton-Stele“, „Trommelwand“ oder „Bach-Harfe“ tragen und aussehen wie futuristische Skulpturen. „Wenn ich heute in ein Sinfoniekonzert gehe, komme ich mir vor wie von einem anderen Planeten“, sagt Försch.

Eine Entscheidung treffen und die Konsequenzen daraus ziehen – im Laufe des Gesprächs kommt er immer wieder auf diese Maxime zurück. Försch hat sich entschieden: Er hat zuerst die Trennung von Interpreten, Komponisten und Instrumentenbauer aufgegeben, um sich die Instrumente, auf denen er spielt, selbst zu bauen. Für jede seiner Schöpfungen gibt es nur ein von ihm selbst geschriebenes und gespieltes Stück. Und jede Aufführung soll ein unwiederholbares Ereignis bleiben.

Aufzeichnungen liebt Försch gar nicht. Der philosophische Klangbildner erkundet lieber, was der Augenblick an ihn heranträgt. Im Erdgeschoss seines Klanghauses kann man durch Klanginstallationen flanieren. Von Bewegungsmeldern gesteuert, setzen sich dann Förschs Gerätschaften in Bewegung, brummen, scheppern, surren, klirren, während die Schritte im eigens ausgestreuten Kiesbett knirschen.

Ein Stockwerk höher findet sich eine Instrumentenausstellung, die sich ausnimmt wie ein Design-Museum auf Alpha Centauri, gegenüber herkömmlichen Museen aber den Vorteil hat, dass man die Ausstellungsstücke anfassen soll. Wer also seine Hemmung überwindet, kann es hier auf resonierenden Blechen richtig krachen lassen oder dem delikaten Sirren einer über einen Aluminiumcorpus gespannten Saite lauschen.

Dass Försch dabei mit mehr Schulklassen rechnet, als sich bisher zu ihm verirrt haben, beweisen vor den am Boden stehenden Klangskulpturen bereitgelegte Kissen. „Bei einer Violine geht es darum, zu lernen, ,Wie man es macht‘, bei diesen Instrumenten geht es darum ,,Was kann ich damit machen‘“, formuliert der Klangrechercheur sein Credo. Im Aufführungsraum des Klanghauses etwa stapeln sich derzeit Pappschachteln in unterschiedlichsten Formen und Größen. „Ein Hersteller für Wellpappe, hat bei mir ein Stück bestellt“, erläutert Försch. Die Zweifel des Skeptikers, dass Wellpappe für Audiophile nicht unbedingt sexy sei, beantwortet er mit melodisch-pfeifenden Tönen für Geigenbogen und Pappschachteln. „Die könnte man jetzt sogar stimmen“, sagt Försch.

Sein ambitioniertestes Projekt aber ist die Verbindung von Klang und Form. Aus den vier Ton-Buchstaben im Nachnamen von John Cage hat er mit wissenschaftlicher Akribie Zahlenreihen abgeleitet, deren Proportionen auf Flächen und Volumina übertragen, aus den räumlichen Elementen Skulpturen geschaffen und diese Installationen wiederum zum Klingen gebracht. „Ich habe mich C-A-G-E einfach überlassen und geschaut, wohin es mich führt.“

Geführt hat ihn das Projekt etwa in die Kunsthalle Schirn und in die Frankfurter Alte Oper. Doch wer Försch heute besuchen kommt, findet den riesigen Plexiglas-Kubus aus dem Cage-Projekt neben dem Haus im Freien. „Das rottet da so vor sich hin“, sagt dessen Urheber fatalistisch – und träumt in kühnen Momenten gleichwohl auch für seine Sammlung von einem Gundlach-Neumeier-Tamm-Effekt der geneigten Stadtväter.

www.klanghaus-ff.de