: Die gitarristischste Musik überhaupt
Der Flamenco-Jazz-Musiker Andreas Arnold spinnt seit Jahren von New York aus seine musikalischen Visionen. Fernab der eigenen Heimat und auch des Flamenco. Im Trio-Verbund feiert er am Dienstag im b-flat die Veröffentlichung seines dritten Albums „Odisea“
Von Katrin Wilke
Im vielbeschworenen Melting Pot fehlt es musikalisch ja bekanntlich an nichts, so denkt man. Vergleichsweise unterrepräsentiert ist dort jedoch der Flamenco, auch wenn diese nicht mehr allein mit Andalusien zu assoziierende Musikkultur längst weltgewandt, überaus fusionsfreudig und -fähig ist. An diesem Defizit konnte auch das hochkarätige Flamenco Festival nicht grundsätzlich etwas ändern, das seit knapp zwanzig Jahren in New York stattfindet: Die letzte Ausgabe des von Spanien aus organisierten und komplett mit Künstlern von dort bestückten Events ging am vergangenen Sonntag zu Ende, unmittelbar gefolgt von einem weiteren in Chicago.
Abgesehen vom derzeit in New York stationierten Weltklassepianisten Chano Domínguez trat dort praktisch niemand aus der Szene vor Ort auf. Es gibt zudem nicht sonderlich viele, mal traditionsnähere, mal experimentierfreudigere Flamencomusiker in New York.
In dieser kleinen, zumeist aus Exilspaniern bestehenden Szene hat der aus Süddeutschland stammende, später mit Köln verbundene Andreas Arnold somit gleich doppelten Exotenstatus. Seit elf Jahren im Big Apple zu Hause, schätzt der auch als Produzent tätige Gitarrist und Komponist die Riesenmetropole unter künstlerisch-kreativem Aspekt natürlich ungemein. Beäugt sie aus seiner politisch interessierten, sozialkritischen Perspektive wiederum aber auch skeptisch. Und zwar nicht erst seit Trump-Zeiten. Der stets etwas nachdenklich wirkende, sympathisch tiefgründige Musiker schüttelt ratlos seinen Lockenkopf über diese – wie er sagt – megakapitalistische, konsumistische Grundeinstellung in den USA und ihre teils wenig reflektierenden Bewohner.
Da sei die Musik dann schon auch so eine Art Zuflucht, die Kompositionen – ob nun instrumentale oder vokale – eine Form, selbst mit der Welt fertigzuwerden. So findet sich etwa auf dem 2016 erschienenen Album „Ojos cerrados“ (Geschlossene Augen) der „Bolero de Brooklyn“, entstanden mit Blick auf die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt in den USA.
Mit einer Hommage an Brooklyn, Arnolds Lieblingsort in New York, sowie einen weiteren in Spanien, das andalusische Cádiz, dem entspannt zwischen Flamenco und Jazz treidelnden Opener „Caí-BK“, macht das gerade veröffentlichte Nachfolgealbum „Odisea“ auf. Denn trotz aller Ambivalenzen scheint der Gitarrist in New York schon genau am richtigen Platz zu sein mit seiner Jazz-Sozialisation.
Die erfuhr der aus einem klassikambitionierten Elternhaus kommende 37-Jährige zunächst vor allem beim Studieren am Amsterdamer Konservatorium. Von dort ging er nach New York und in die Lehre von Jazzern wie Mike Stern, John Abercrombie und Wayne Krantz. Und schließlich landete er beim Flamenco, der – wie er sagt – „gitarristischsten“ Musik überhaupt, wenn man mal von der Rockmusik absieht. Beim Eintritt in diese Welt sei er der Gitarre für sein Gefühl im Grunde noch näher gekommen.
Eine Art Erweckungserlebnis, bei dem sich viele Fragen für ihn als Gitarristen wie von selbst beantworteten, wo sich einfach unglaublich viele neue Möglichkeiten, neue Spieltechniken und somit auch andere Ausdrucksmöglichkeiten für ihn als Gitarristen ergeben hätten. Und nicht mal nur die Flamencogrößen seines Fachs beflügelten ihn, vorneweg Paco de Lucía.
Auch andere Instrumentalisten wiesen Arnold den Weg: Carles Benavent aus Barcelona etwa, wichtiger Mitmusiker jenes legendären verstorbenen Flamencogitarristen, leistete als E-Bassist Pioniertaten in der Geschichte des Flamenco-Jazz. Ihn und etliche weitere Lichtgestalten der aktuellen Szene Spaniens konnte der gut vernetzte Gitarrist schon für die Arbeit an „Ojos cerrados“ gewinnen.
Und wie der Katalane greift auch er selbst gerne mal zu Mandoline oder Bouzouki. Sein mediterraner Jazzkosmos ist reich an Farben, Stilen und Stimmungen, wie sich auch im Januar im New Yorker DROM erleben ließ, New Yorks erster Adresse in Sachen Worldmusic. Zum dritten Mal veranstaltete Andreas Arnold gemeinsam mit Musikerfreunden sein kleines, aber feines Mediterranean Jazz Fest. Mit von der Partie bei jenem eintägigen Konzertmarathon waren neben seinem alten Kumpel Antonio Lizana, einem derzeit sehr gefeierten jungen andalusischen Saxofonisten und Flamencosänger, unter anderem auch die Musiker, die nun in Berlin auftreten.
Der ebenfalls in New York lebende griechische Kontrabassist Petros Klampanis, bei hiesigen World-Jazz-Aficionados längst kein Unbekannter mehr, und der spanisch-japanische Perkussionist Miguel Hiroshi bilden zusammen mit dem deutschen Gitarristen ein noch recht frisches, dafür aber schon gut eingegroovtes, vertraut klingendes Trio, dessen Miteinander von viel Sensibilität und Kreativität zeugt.
Die drei musikalischen Seelenverwandten spielten auch schon vor diesem Bandprojekt hier und da zusammen und nahmen nun auch fast alle Tracks für „Odisea“ auf. Diese titelgebende Odyssee war für Andreas Arnold bislang eine durchaus gewinnbringende, konstruktive Irrfahrt, ein musikalischer und persönlicher (Selbst-)Findungsweg, dessen kommende Etappe sehr wahrscheinlich Spanien sein wird.
Nachdem er dort in der Vergangenheit schon immer mal länger lebte und arbeitete, will er in absehbarer Zeit womöglich für immer dorthin. Die Situation in seiner jetzigen Wahlheimat wird ihm diese Entscheidung und den Abschied vermutlich leichter machen.
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