leserbriefe:
Seltsam unkritisch
„Die Woche in Berlin: Bekenntnis zu grünen Stadtoasen“, taz vom 9./10. 3. 2019
Der Artikel wirkt seltsam unkritisch. Die Tatsachen, dass Schrebergärten Bebauung weichen sollen und dass mehr Menschen nicht weniger, sondern mehr Grün benötigen, werden erwähnt, aber dieser Widerspruch wird so stehen gelassen, und das Fazit lautet, dass es doch toll ist, dass der Rest der Gärten Bestandsschutz erhalten soll. Nach dem Lesen nicht nur dieses Artikels frage ich mich, was mit der taz gerade los ist.
Ulrike Solbrig, Berlin
Frau Kolat fragen
„An der Realität vorbei“, taz vom 20. 2. 19
Die Otto-Hahn-Schule war schon eine Brennpunktschule, als dieser Begriff noch nicht verwendet wurde. Aber woher soll das eine Schulverwaltung wissen, die lieber einen Lehrer strafversetzt, weil er den „Schulfrieden“ verletzt haben soll, und einen Schulleiter, der freiwillig nach dem erreichten Ruhestand weiterarbeiten möchte, in ebenjenen versetzt, weil er nicht „loyal“ der Schulverwaltung gegenüber war? Ich empfehle den Realitätscheck: Jede/jeder in der Schulverwaltung sollte mindestens 14 Tage im Jahr an einer Schule arbeiten (gern auch ohne Brennpunkt), damit könnte nebenbei der Lehrermangel etwas gelindert werden. Oder im Falle der Otto-Hahn-Schule Frau Kolat fragen, die dort ihr Abi gemacht hat. Beate Hachfeld, Berlin
Kohle, Kohle
„Die Dialektik der Clubkultur“, taz vom 14. 2. 19
Es scheint fast schon ein Gesetz der Gentrifizierung, dass zuerst die Clubs und ihre konsumierende Klientel in eine bestimmte Stadtregion kommen, um eine bis dato erschwingliche, aber kulturell vergleichsweise eher unaufregende Gegend aufzuwerten und damit letztlich den Boden dafür zu bereiten, dass bald schon die kulturelle in die finanzielle Aufwertung mündet.
Sollten deshalb in bis dato bezahlbaren Gegenden keine Clubs mehr eröffnen? Natürlich nicht, gerade weil es ja für die meisten aufgrund der noch niedrigen Mieten letztlich die einzige Möglichkeit ist, so etwas wie einen Club aufzuziehen, ohne sich finanziell zu überfordern. Letztlich wissen alle, die auf diese Weise Clubs und Szenekneipen eröffnen, dass sie nicht unerheblich die Ursache der Gentrifizierung sind, um früher oder später selbst Opfer dieses Prozesses zu sein.
Die Mitursache für diesen gnadenlos vorhersehbaren Prozess von sich zu weisen, ist realitätsfern, aus der Mitverursachung einen moralischen Vorwurf abzuleiten, zu simpel. Seit Beginn der Technobewegung und ihrer zahlreichen Clubs war „Friede, Freude, Eierkuchen“ für die Gegenden, die sie mit ihren Locations wesentlich attraktiver machte, immer auch ein Signal für „Kohle, Kohle, Eigentum“. Nur dass sich dieser Prozess seitdem deutlich beschleunigt hat und unerbittlicher durchsetzt. Wolfram Hasch, Berlin
Leider irreführend
„Bauanleitung Milieuschutz“, taz.de vom 13. 3. 19
Danke für die Ergänzung des Artikels um die Möglichkeit der Einsichtnahme ins Grundbuch. Die einleitende Formulierung „56 Milieuschutzgebiete, wo ein bezirkliches Vorkaufsrecht existiert“ suggeriert, in einem Milieuschutzgebiet sei der Vorkauf allgemein möglich. Das ist nicht so. Es gilt nur in den Fällen, in denen die Transaktion als Asset-Deal abgewickelt wird, wenn tatsächlich das Haus verkauft wird, also ein Grundbucheintrag überhaupt stattfindet. Ein Teil der Immobilientransaktionen findet aber als Share-Deal statt und geht damit am Bezirk, an der Öffentlichkeit, an den Mieter*innen vorbei, die dennoch den Kaufpreis mit ihrer Miete refinanzieren müssen. Die Immobilienwirtschaft veranstaltet laufend teure Seminare darüber, wie diese Deals abgewickelt werden können (zum Beispiel PB3C, die Berliner Immobilienrunde).
Um politisch handlungsfähig zu sein, muss bekannt sein, dass es nicht reicht, möglichst viele Milieuschutzgebiete auszuweisen und dann in jedem Einzelfall in der Zweimonatsfrist schnell zu handeln. Deshalb fände ich es gut, solche irreführenden Formulierungen nicht zu verwenden. Es schwächt auch die Mieter*innenbewegung insgesamt, wenn immer wieder falsche Informationen verbreitet werden, die zudem die Lage der Mieter*innen günstiger darstellen, als sie ist. Margit Englert, taz.de
Revolutionsorte
„ Gedenken an ermordete Matrosen 1919“, taz.de vom 11. 3. 19
Es ist richtig, dass an dem Haus in der Französischen Straße nichts an den Matrosenaufstand erinnert, aber wer auf die berlinHistory-App geht (kostenlos und werbefrei), kann alle Orte der Revolution 1918/19 finden und dabei auch alles über die Zahlstelle der Volksmarinedivision und den Matrosenmord in der Französischen Straße erfahren. Rainer E. Klemke, taz.de
Fahrlässige Tötung
Tote durch Rechtsabbieger-Lkws
Nach der endlosen Geschichte darf man von fahrlässiger Tötung oder Beihilfe dazu vonseiten der Regierung sprechen. Und mit der Zahl der Radfahrer wird auch die Zahl der Unfalltoten weiter zunehmen. Ein Vorschlag zur Problemminderung: Mit sofortiger Wirkung wird allen Lkws der Halt vor Beginn des Abbiegens vorgeschrieben. Jürgen Weinert, ADFC-OG Birkenwerder
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