die woche in berlin
: die woche in berlin

Berlin geht gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts in Revision: Nun muss grundsätzlich entschieden werden, ob das Neutralitätsgesetz zu halten ist. Der Entwurf des „Kleingartenentwicklungsplans Berlin 2030“ ist da. Und der Innensenator hatte da mal eine Idee in Sachen Olympia-Bewerbung und hat sie gleich selbst wieder einkassiert

DebattestattAusschluss

Berlin will über das Neu- tralitätsgesetz verhandeln

Es ist eine der vielen Merkwürdigkeiten beim Streit um das Kopftuch bei Lehrerinnen: Jede der Frauen, die wegen des aus religiösen Gründen getragenen Kleidungsstückes für den Schuldienst abgelehnt werden, dürfte sofort unterrichten, würde sie das Kopftuch ablegen.

Geht es also wirklich nur darum, was eine Bewerberin anhat? Und gar nicht darum, was und wie sie denkt, welche Weltanschauung sie hat – und möglicherweise an ihre SchülerInnen weitergibt?

Nein, würden die Befürworter des Neutralitätsgesetzes an dieser Stelle sagen: Das Kopftuch ist nicht bloß ein Stück Stoff, sondern – als religiöses Symbol getragen – bereits eine Art weltanschaulicher Übergriff, der den Menschen um seine Trägerin herum deren religiöse Überzeugung quasi aufdrängt. Es ist nach dieser Vorstellung kein Kleidungsstück, sondern eine Meinungsäußerung – und damit ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot für Lehrkräfte und andere Staatsbedienstete.

Nun ließe sich fragen, ob mit dieser Argumentation dann nicht auch Rocklängen sanktioniert werden könnten? Was, wenn die Lehrkraft das Kopftuch zwar ablegt, aber stets mit bodenlangen Röcken und schulterbedeckender Oberbekleidung unterrichtet – und zwar aus religiösen und nicht aus modischen Gründen? Wird man sie dann, beispielsweise, in ein Spaghettiträgershirt zwingen?

Neutralität ist ähnlich wie Gerechtigkeit ein Ideal, das Menschen anstreben, aber – eben weil sie Menschen sind – nie perfekt umsetzen können: ein philosophischer eher als ein handhabbarer juristischer Begriff. Warum steht „Neutralität“ in einem Gesetz? Es gehe um den Schulfrieden, argumentieren die Vertreter der Bildungsbehörde, wenn Gerichte mal wieder über die Klage einer abgelehnten Bewerberin entscheiden müssen. Brauchen Schulen, die längst keine homogene Schüler*innenschaft mehr haben, einen Frieden, der auf einem möglichst homogenen Lehrkollegium beruht? Schafft es mehr Gerechtigkeit, dass Richter- und Staatsanwaltschaft überwiegend aus alten weißen Männern und ein paar jüngeren weißen Frauen besteht?

Es scheint erfolgversprechender, Neutralität und damit Gerechtigkeit – denn darum geht es ja hoffentlich – im Gegenteil durch mehr Vielfalt herzustellen. Und damit statt auf einen gerichtlich herbeigezwungenen „Schulfrieden“, der dadurch erreicht wird, dass er unbeliebte Perspektiven ausschließt, lieber auf eine lebendige und respektvolle Debattenkultur an Schulen zu setzen.

Es ist gut, dass Berlins Schulverwaltung, wie letzte Woche bekannt wurde, darüber nun endlich andere juristische Instanzen als stets das Verwaltungs- oder Arbeitsgericht entscheiden lassen will.

Alke Wierth

Bekenntniszu grünen Stadtoasen

Plan für Entwicklung von Kleingärten vorgelegt

Man wird ja wohl noch loben dürfen: In Sachen Kleingärten hat die amtierende Senatsverwaltung eindeutig einen grünen Daumen. Der Entwurf des „Kleingartenentwicklungsplans Berlin 2030“, der in der kommenden Woche online gestellt wird und bis April mit den Verbänden der KleingärtnerInnen diskutiert werden soll, ist ein klares Bekenntnis zu den grünen Stadtoasen und gegen die Begehrlichkeiten von Baumogulen und Investoren.

„Wir werden Berlins einzigartige Kleingarten-Vielfalt erhalten“, sagt Umweltsenatorin Regine Günther. Und in dem mit vielen Statistiken und umfangreichem Kartenmaterial ausgestatteten Plan-Entwurf heißt es, die Gärten seien „ein Markenzeichen und ein Alleinstellungsmerkmal Berlins“, eine „historisch gewachsene kulturelle, ökologische und soziale Ressource“. Dem ist unbedingt zuzustimmen.

Auch für den Senat folgt daraus: Die Versorgung der Bevölkerung mit Kleingärten soll auf dem Niveau von heute bleiben. Eine wachsende Stadt braucht folgerichtig mehr, nicht weniger Gärten. Gleichzeitig wächst der Druck auf freie Flächen. Trotzdem sieht der Entwicklungsplan keine Wohnbebauung auf Kleingartenflächen vor.

Nur knapp 900 der mehr als 70.000 Parzellen im Land – weniger als 2 Prozent – sollen in den kommenden Jahren für soziale Infrastruktur (Kitas, Schulen, Sportanlagen) sowie einige Verkehrsprojekte geopfert werden. Rund 9 Prozent der GartennutzerInnen müssen sich auf Ähnliches einstellen, jedoch nicht vor 2030. Weitere 7 Prozent gehören privaten Eigentümern, vornehmlich der Bahn. Der Löwenanteil von 82 Prozent aber ist über konkrete Bebauungspläne und/oder den Berliner Flächennutzungsplan dauerhaft gesichert und bleibt es auch.

Klar: Einzelne GartenpächterInnen wird der Verlust der liebgewonnenen Parzelle schmerzen. Gut zu wissen, dass sie nicht nur monetär entschädigt werden sollen, sondern dass ihnen auch Ersatz in neu anzulegenden Gartenflächen angeboten wird.

Und klar ist auch: Es muss sich mal wieder alles ändern, damit es bleibt, wie es ist. Der kulturelle Abschied von der hermetisch eingehegten „Kolonie“, der ja längst begonnen hat, muss noch entschiedener beschritten werden. Von den Gärten müssen alle profitieren können, sei es durch öffentlich zugängliche Teilflächen, Kooperationen mit Kitas und Schulen oder ökologische Lehrpfade. Das alles fordert dieser Kleingartenentwicklungsplan und das ist auch mal richtig gut so.Claudius Prößer

Innensenator korrigiert seinen Fehler

Olympia 2036 in Berlin? Geisel rudert zurück

Was hat er sich bloß dabei gedacht? Vergangene Woche war Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) beim Frühstück der Industrie- und Handelskammer zu Gast. Über Verwaltungsmodernisierung wollte er sprechen, ein wichtiges Thema. Dann aber dachte Geisel laut über eine neuerliche Olympiabewerbung Berlins nach. Ein peinliches Thema. Richtig geschmacklos war dann der Termin, den der sonst so themensichere Innensenator ins Spiel brachte. 2036. Hundert Jahre nach Hitlers Spielen von 1936.

Natürlich gibt es für alles, auch Schwachsinn, immer noch eine Begründung, die sich hinterherschieben lässt. Bei Geisel war es in Anlehnung ans Sommermärchen 2006 die Behauptung, Deutschland könne dann zeigen, dass es sich zu einem weltoffenen, demokratischen Land entwickelt habe, hieß es aus seiner Pressestelle. Genauso gut hätte Andreas Geisel sagen können: Der nächste Hitler ist ein Netter.

In dieser Woche kam dann der Rückzieher. „Ich habe gar keinen Vorschlag für eine Berlin-Bewerbung gemacht. Es wird auch keine geben“, sagte Geisel am Montag dem Tagesspiegel. Stattdessen warb der Innensenator für eine nationale Bewerbung der Bundesrepublik, eventuell sogar in Kooperation mit Polen.

Okay, ein „mea culpa“ sieht anders aus. Sich falsch verstanden zu fühlen, heißt übersetzt, Mist gebaut zu haben. Aber immerhin. Andreas Geisel hat, wenn auch etwas ungelenk, einen Fehler eingeräumt. Das ist bemerkenswert, denn er hätte auch weiterhin, nur etwas leiser, auf seinen Vorstoß verweisen können – um ihn irgendwann dann sang- und klanglos zu begraben. Der Großteil der Politikerinnen und Politiker hätte es so gemacht. Und wieder denen Nahrung gegeben, die ohnehin von der Unglaubwürdigkeit der Politik schwadronieren.

Mit seinem Fehlereingeständnis wird Geisel ungeschoren aus der Sache herauskommen. Weder wird es – zumindest in dieser Frage – eine Koalitionskrise geben. Noch wird es ihm politisch schaden, im Gegenteil. Einer, der Fehler korrigieren kann, kann sein Macherimage bewahren.

Und diejenigen, die Olympia auch zu jedem anderen Datum für Blödsinn halten, können aufatmen. So lange Andreas Geisel Innensenator ist, wird es zu diesem Thema keinen neuerlichen Vorstoß von ihm mehr geben. Uwe Rada

Richtig geschmacklos war der Termin: 2036. Hundert Jahre nach Hitlers Spielen von 1936

Uwe Radaüber das Hickhack von Innensenator Andreas Geisel über eine mögliche Olympia-Bewerbung Berlins