Im Kiosk
: Blutüberdruck

Deutschland spielen wie dumme Hunde in Vietnam

Thanh ist um die 60, kommt aus Vietnam und arbeitet im Kiosk nebenan. Es ist ein sehr kleiner Laden, die Waren stapeln sich bis unter die Decke. Neben der Kasse befindet sich ein kleiner Fernseher mit einem rosafarbenen Gehäuse. Der läuft nur bei Fußballspielen.

Obwohl ich weiß, dass ich kaum ein Wort verstehen werde – Thanhs Deutsch ist sehr abenteuerlich –, frage ich ihn immer, wie das Spiel ist. Mit wild gestikulierenden Bewegungen erklärt er mir dann, was diese Mannschaft falsch und die andere gerade richtig macht. Als Bayern München letztes Jahr eine Siegesserie hatte, war sein Lieblingsspruch: Bayern immer Vorfahrt, wirklich, Bayern immer Vorfahrt. Als Arjen Robben dann die entscheidenden Elfmeter gegen Dortmund und Chelsea verschoss, schimpfte Thanh wochenlang über Robben: Robben egoalist, er sehen nur seine eigenen Füße, er niemals sehen andere Füße. Er immer nur denken an seine eigenen Füße.

In den letzten paar Wochen ging es Thanh nicht so gut: Er klagte über Schwindelgefühle und Kopfschmerzen. Ich machte mir Sorgen und fragte ihn bei jedem Einkauf, ob es ihm inzwischen besser gehe, und er antwortete, dass die Ärzte Bilder von seinem Kopf machen würden und dass noch niemand nichts weiß. Thanh sah bedrückt aus, der Fernseher blieb aus.

Als ich mir gestern Abend in der Halbzeitpause beim Spiel Österreich gegen Deutschland ein Bier bei Thanh holte, leuchteten seine Augen. Alles gut, sagte er, Ärzte raten Thanh weniger Aufregung wegen Blutüberdruck. Aber er jetzt haben Maschine zum Messen von Blutüberdruck. Ich freute mich für Thanh, der rosafarbene Fernseher lief wieder, und ich fragte ihn: Und, wie ist das Spiel? Er antwortete: Deutschland spielen wie dumme Hunde in Vietnam. Östreich viel mehr bellen und beißen. Ach Thanh, schön, dass es dir wieder gut geht. ALEM GRABOVAC