TÜRSTEHER NERVEN NOCH MEHR ALS BERUFE, DIE NICHT ZUM NAMEN PASSEN
: Wir scheißen auf Friedrichshain

VON MARGARETE STOKOWSKI

Komisch, dass es jetzt abends wieder so früh dunkel ist. Ich hatte mich gerade an den Sommer gewöhnt, schon ist es wieder windig und kalt. Am Freitagabend überlege ich kurz, ob ich nicht langsam mit meiner Winterdepression anfangen könnte. Komme aber gar nicht dazu, weil Stefan mich abholt und wir zu B.s Geburtstag fahren.

Sie feiert in ihrer WG im Friedrichshain, es gibt Bier und Likör, wir reden über Inseln und Flughäfen. Paul, der Pilot, ist nämlich da, und muss von seiner Arbeit erzählen, weil das immer so spannend ist. Er sagt, Korfu hat einen schwierigen Anflug, aber auch einen sehr schönen. Wenn ein Flugzeug nach Norden losfliegt, müssen sie die Straße sperren, weil da alles so eng ist. Das Schöne, wenn Paul erzählt, ist nicht nur, dass es immer nach Abenteuer klingt, sondern auch, dass er Paul heißt und Pilot ist.

Schade, dass nicht viel mehr Leute aus meinem Freundeskreis einen Beruf haben, der mit dem gleichen Buchstaben anfängt wie ihr Name. Das hat dann gleich so etwas Idyllisches, wie in Kinderbüchern. Außer Paul, dem Piloten, fallen in diese Klasse nur Fatime, die Friseurin, und Lea, die Lesebühnenautorin, aber schon bei Lea ist die Berufsbezeichnung eigentlich zu lang, um die Poesie durchzulassen.

Jedenfalls sind wir auf der Party von B., irgendwann klingelt mein Handy und ich gehe auf den Flur zum Telefonieren. S. ist dran und sagt, sie sei mit P. und F. unterwegs und ob wir nicht auch noch tanzen gehen wollen. Ich sage, ja gerne. Wir treffen uns eine halbe Stunde später vor der Busche, unter dem U-Bahnhof Warschauer Straße. Als wir reinwollen, sagt der Türsteher: „Der junge Mann hier sieht aber schon ziemlich angetrunken aus.“ Er zeigt auf P., der grinst und fragt: „Iiiich?“ Ich sage dem Türsteher, P. sieht immer so aus, das machen die Haare. „Nee“, sagt der Türsteher, „so kommt der hier nicht rein.“ „Wollen wir auch gar nicht!“, schreit F. den Türsteher an, „ich kann deine komische Fitnessstudiofresse eh nicht sehen und deine Scheißmusik will ich auch nicht hören“ – drinnen läuft gerade „Coco Jumbo“. P. schaut uns an und fragt nur: „Hat der echt gesagt, ich bin zu betrunken?“

Wir erklären Die Busche für tot und gehen weiter. Unter einem der U-Bahn-Bögen spielt eine Band mit Gitarren und Cajon und fetzt so richtig. Wir tanzen und es ist geil. Dann entscheiden wir, ins Cassiopeia zu gehen. Auf der Brücke am Bahnhof essen wir Börek und kaufen neues Bier, überall sind viele Leute.

Ich war lange nicht mehr abends in der Gegend. Ein bisschen weiß ich auch, wieso. Vorm Cassiopeia stellen wir fest, dass da heute Punk läuft und keiner von uns das so richtig will. Wir laufen weiter zum RAW Tempel, da ist Techno – passt auch nicht. Als wir vor dem „Zum schmutzigen Hobby“ stehen, klingt es genau richtig nach Tanzen und allem. Aber der Türsteher zeigt auf P. und sagt: „Der junge Mann hier sieht aber schon ziemlich angetrunken aus.“ „Nein“, ruft P., „nicht schon wieder, bitte!“ „Wie soll er denn aussehen, Samstagnacht um drei Uhr, wenn er feiern geht?“, fragt F. den Türsteher. Der Türsteher sagt: „So nicht.“

Wir scheißen auf Friedrichshain und fahren mit dem Großraumtaxi nach Kreuzberg, wo F. ihr eigenes Café hat und wo wir garantiert reinkommen, durch den VIP-Eingang von hinten sogar, weil es F. zu kompliziert ist, vorne die Jalousien hochzuziehen.