Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Die derzeit absolut beste Fotoausstellung in Berlin, die man unbedingt besuchen sollte, findet sich im Gutshaus Steglitz. Sie handelt von der „Neuen Photographischen Gesellschaft Steglitz“ (nicht zu verwechseln mit der Photographischen Gesellschaft Berlin, bei der Heinrich Zille 30 Jahre lang beschäftigt war) und der „Geschichte eines vergessenen Weltunternehmens (1897–1921)“, wie ihr Untertitel lautet. Es geht um so etwas wie ein Start-up-Unternehmen um 1900. 1894 gründete Arthur Schwarz mit zehn Mitarbeitern die NPG, mit der es 15 Jahre lang steil bergauf ging, bis sie 1.200 Mitarbeiter und Niederlassungen in Mailand, Paris, London und New York hatte – und insolvent war. Wie heutige Start-up-Unternehmen hatte auch die NPG das Potenzial eines schon vorhandenen, aber relativ neuen Kommunikationsmediums erkannt, das sie mit einer eigenentwickelten neuen Technologie so richtig fit machte: die Bildpostkarte. Über 15.000 verschiedene Motive umfasste die Produktion mit einem täglichen Ausstoß von 40.000 Bildern. Man kann es nicht beschreiben, was die Alben, Prachtbände, Stereoskopaufnahmen und Bildpostkarten, vor allem die kolorierten und lackierten, alles zu bieten haben. Kein Wunder jedenfalls, dass von Man Ray bis Hannah Höch die künstlerische Avantgarde nach diesen Dingern verrückt war, wie der hervorragende Katalog über die komplexe und erstaunliche Geschichte der NPG berichtet. Irgendwie stimmig, dass dann 1932 das aus Dessau vertriebene Bauhaus für fünf kurze Monate in die leeren Räume der NPG zog. Ebenfalls stimmig ist, dass die Ausstellung mit all ihren liebevoll dekorierten Vitrinen verdammt nach Heimatkundeverein ausschaut. Just das macht einen beträchtlichen Teils des Vergnügens an dem von Wilma Gütgemann-Holtz und Wolfgang Holtz initiierten Forschungsprojekt aus.

■ Neue Photographische Gesellschaft Steglitz – ein vergessenes Weltunternehmen (1897–1921), Gutshaus Steglitz, bis 22. November, Di.–So. 14–19 Uhr, Schlossstr. 48