piwik no script img

dvdeskAnitas Drecksjob

„Mord und Totschlag“ (BRD 1967; Regie: Volker Schlöndorff)

Auch Volker Schlöndorff, in seinem Herzen kein Revolutionär, wollte von der Freiheit kosten, die die Nouvelle Vague dem Kino verschafft hat. Schlöndorffs Debüt, die Verfilmung von Robert Musils „Der junge Törless“, war noch gediegenstes Einschreiben in den bürgerlichen Kanon gewesen. In dessen Obhut begab sich der später für seine Literaturverfilmungen erst berühmte, dann zusehends berüchtigte Regisseur bald wieder, mit der „Blechtrommel“ oder „Homo Faber“ und zuletzt „Rückkehr nach Montauk“. Dazwischen aber liegt, von der Filmgeschichte vergessen, von Schlöndorff selten erwähnt, vor allem der Zweitling, „Mord und Totschlag“, 1967 entstanden, bislang kaum zu Gesicht zu bekommen.

Im Zentrum steht Marie, gespielt von Anita Pallenberg, damals schon als Model bekannt, später als Ehefrau von Keith Richards berühmt, zur Zeit des Drehs aber noch mit einem anderen Stone, dem bald darauf unter ungeklärten Umständen ertrunkenen Leadgitarristen Brian Jones, liiert. Der hat überraschenderweise auch die Musik zu Schlöndorffs Film komponiert. Sie gehört mit ihrem wild eklektischen Zickzack zwischen Blues, Rock, Honkeytonk und eher undefinierbaren Klängen entschieden zu den Pluspunkten dieses Films. Mit dem Plot sieht es anders aus, das Beste, was man über ihn sagen kann, ist eigentlich: Schön, dass man, wenn es ihn schon geben muss, nicht viel Wert auf ihn gelegt hat.

Es, das heißt das bisschen Geschichte, beginnt damit, dass sich Marie im Rotlicht, das von draußen in ihre angenehm unaufgeräumte Schwabinger Wohnung hereinflackert, zu Bett begibt, als ihr Ex-Lover Hans an die Tür klopft (gespielt von Werner Enke, im Jahr darauf wurde er mit „Zur Sache, Schätzchen“ berühmt). Sie lässt ihn rein, er räumt seine Sachen zusammen, will zum Abschied noch einmal Sex, unternimmt einen Vergewaltigungsversuch, worauf sie das einzig Richtige tut: Sie erschießt ihn.

Hat aber nun Ärger mit seiner Leiche. Die soll irgendwie weg. In einer Bar spricht sie einen Mann an, der ihr gefällt, sein Name ist Günther (Hans Peter Hallwachs). Marie erklärt ihm das Dilemma, in dem sie sich befindet. Er sieht sich das an, schüttelt den Kopf, spricht von Mord, sie gehen miteinander ins Bett. Aus einer Werkstatt, in der er gearbeitet hat, beschafft er ein unfassbar schrottiges Auto, in das sie die Leiche packen wollen, um sie irgendwo auf dem Land zu begraben.

Sie schnappen sich einen weiteren Mann, nennen wir ihn, wie der Film ihn nennt: Fritz (Manfred Fischbeck), denn einen Namen müssen auch egale Figuren ja tragen. Sie fahren aufs Land, tiefstes dörfliches Bayern, auf der Straße kommt mit dem Fahrrad der Willy Harlander vorbei, man plauscht ein wenig, die Leiche wird auf einer riesigen Autobahnbaustelle untergepflügt, am Ende taucht sie auch wieder auf, aber daraus folgt wohl eher nichts.

Brian Jones hat die Filmmusik komponiert. Ihr eklektischer Zickzack zwischen Blues, Rock und Honkeytonk ist super

Anita Pallenbergs Job ist in „Mord und Totschlag“ nicht primär das Versenken in einer Rolle. Viel eher geht es darum, dass sie lässig herumsteht und -liegt, sich anzieht und auszieht und ihren Körper und ihr Gesicht von der Kamera wieder und wieder ins Bild setzen lässt. „Mord und Totschlag“ ähnelt darin anderen Münchner Filmen mit Models aus seiner Zeit, von Rudolf Thome („Rote Sonne“ mit Uschi Obermaier) oder Klaus Lemke („Negresco“ mit Ira von Fürstenberg), ist etwas weniger cool, als er gern wäre, auch wenn die Kamera flott unterwegs ist und Anita Pallenberg ihre Sache sehr ordentlich macht. Keine Riesenentdeckung, aber interessanter als das meiste, was Schlöndorff danach so gedreht hat, ist der Film allemal.

Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 20 Euro erhältlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen