Nils Schuhmacher Hamburger Kunsträume: Garantiert leuchtturmfrei
Wer sich jetzt gerade oder morgen über seinen persönlichen Schufa-Eintrag ärgert, sollte sich mal umdrehen. Wen sieht man da? Michael Freytag. Heute Vorstandsvorsitzender der Schufa, gestern noch Hamburger Finanzsenator. Einer von jenen, die der Stadt Sätze für die Ewigkeit hinterlassen haben. Zum Beispiel zur Elbphilharmonie. Über sie konnte er 2006 in der Mopo berichten: „Hier entsteht auch ein neues Hotel und damit gibt es neue Arbeitsplätze, möglicherweise auch für Menschen aus Jenfeld.“
Das hat sich dann möglicherweise auch so bewahrheitet. Was Freytag natürlich nicht „auf dem Zettel“ haben konnte: Das Konzerthaus hat die Türen auch anderweitig geöffnet. Wer heute zum Beispiel Musik hören will, die einer auf schnelllebigen Klimbim abonnierten Welt ihre Schatten und Narben vor Augen hält und sie nachhaltig in ihren Fundamenten angreift (Xiu Xiu, 12. 3.), ist dort ebenfalls gut aufgehoben.
Skeptikerinnen und Skeptiker werden zurecht einwenden, dass man dafür erstens nun wirklich nicht den Hamburger Osten verlassen muss und zweitens – sollte man es doch tun – mitsamt seinem Schufa-Eintrag auch gut in den sozialen Nussschalen verbleiben kann, statt sich an den herausgeputzten Dampfern und ihren angebauten Bettenburgen zu reiben. So was kann ja auch abfärben bzw. zur Bequemlichkeit anstiften.
Nur mal zum Beispiel wäre es stattdessen möglich, sich in den kommenden Tagen in einem bodenständigen Billstedter Hotel einzumieten. Von dort aus kann man bequem den Kulturpalast ansteuern, um am 3. 3., 4. 3., 7. 3., 8. 3., 10. 3., 13. 3. und 15. 3. insgesamt 21 Death-Metal-, Technical-Death-Metal-, Black-Metal-, Heavy-Metal-, Thrash-Metal-, Hi-Tech-Metal-, Speed-Metal- und HC-Metal-Bands dabei zuzuschauen, wie sie reichlich Schatten spenden.
Von der Bille führt einen dann gemeinsam der Weg per Schiff über Billekanal, Billhafen, Norderelbe Richtung Reiherstieg. Man kommt dabei an der Elbphilharmonie vorbei, kann ganz kostenfrei mal nach oben schauen und hoffen, dass sich von dort Jamie Stewart und Angela Seo von Xiu Xiu abseilen, um mit ihrer Gage die Rechnungen zu bezahlen. Schließlich landet man völlig zufrieden im Veringkanal, wo sich hinter der Honigfabrik die Schute über Wasser hält, ein Miniboot voll mit Post-Punk- und No-Wave-Bands, zum Beispiel aus den USA (4. 3.) und Polen (5. 3.). Alles garantiert leuchtturmfrei.
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