die woche in berlin
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Der von der CDU gewünschte Untersuchungsausschuss zum Ex-Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe kann eine Chance für die Sexismus­debatte sein. Das Pilotprojekt Solidarisches Grundeinkommenist vor allem ein Prestigeprojekt des Regierenden. Und der massive Stromausfall in Köpenick und seine mediale Romantisierung lassen einen reichlich ratlos zurück

Wenn Aufarbeitung, dann richtig

U-Ausschuss zur Entlassung von Hubertus Knabe

Ein U-Ausschuss könnte das Klima von Einschüchterung und Belästigung untersuchen

Treibt die Causa Hubertus Knabe einen Keil in die Berliner CDU? Das war in dieser Woche die Frage, die die Medien am meisten interessierte. Würde die CDU-Fraktion mit ihren Stimmen einen Untersuchungsausschuss über die Abberufung des ehemaligen Leiters der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen ermöglichen, wäre das auch eine Brüskierung der CDU-Landeschefin gewesen. Denn Monika Grütters hatte in ihrem Hauptberuf als Staatsministerin für Kultur und Medien der Abberufung Knabes zugestimmt.

Noch hat das Abgeordnetenhaus nicht entschieden, die Debatte ist vorerst vertagt. Zurecht aber hat der grüne Kulturpolitiker Daniel Wesener am Donnerstag darauf hingewiesen, dass das Thema sexuelle Belästigung in Hohenschönhausen durch den Antrag der Opposition in den Hintergrund geraten sei. „In Ihren wüsten Verschwörungstheorien“, sagte Wesener an die Adresse der Opposition, „ist Knabe der Geschädigte, nicht die Frauen, die sein Führungsversagen öffentlich gemacht haben.“

Warum aber dann nicht einen Schritt weitergehen? Warum stimmen nicht auch SPD, Linke und Grüne einem Untersuchungsausschuss zu – und formulieren seinen Auftrag so, dass nicht nur die Umstände der Entlassung Knabes auf die Tagesordnung kommen, sondern auch das über Jahre andauernde Klima von Einschüchterung, Belästigung und dummen Sprüchen, das Knabe nicht nur nicht unterbunden, sondern selbst auch mitbetrieben hat.

Das zumindest legt der Untersuchungsbericht von Marianne Birthler vom Dezember nahe, die als unabhängige Expertin die Vorgänge untersucht und mit 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen hat. Und auch 41 freie Mitarbeiter haben damals die Entlassung Knabes befürwortet: „Wir halten diesen Schritt angesichts der Sachlage für notwendig.“

Lädt man Birthler und die Beschäftigten vor den Untersuchungsausschuss, kann sich schnell zeigen, dass der Vorwurf einer politischen „Säuberung“, den die AfD erhob, sich als das entpuppt, was er ist: eine Verschwörungstheorie. Und interessant wäre auch, wie die CDU und die FDP sich angesichts der sexuellen Belästigungen in Hohenschönhausen positionieren. Denn Knabes Entlassung zu kritisieren würde auch bedeuten, seinen Führungsstil zu decken.

Uwe Rada

Ein kleines und teures Paket

Das solidarische Grundeinkommen kommt

Müllers 1.000 Jobs werden nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein können

Hey, führt ihr da in Berlin nicht das Grundeinkommen ein?“ Diesen Witz hört man ab und an von Menschen, die woanders wohnen als in Berlin. Ein Witz ist es natürlich deshalb, weil das solidarische Grundeinkommen, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) als Gesamtkonzept am vergangenen Mittwoch vorstellte, so gar nichts mit dem insinuierten bedingungslosen Grundeinkommen zu tun hat. Das war schnell nach Aufkommen der Idee vor knapp anderthalb Jahren klar.

Ein weiteres Jahr später war dann auch klar: Geld vom Bund bekommt Müller für seinen Vorstoß, den er auch als ersten Schritt zur Abschaffung von Hartz IV verkaufte, nicht. Und so ist das Paket, das er zusammen mit den Senatsverwaltungen und den kommunalen Unternehmen geschnürt hat, ein kleines und für Berlin teures geworden. 1.000 Arbeitslose, die gerade erst in den Hartz-IV-Bezug gerutscht sind, also ein bis drei Jahre arbeitslos sind, sollen mit Müllers Programm, kurz SGE genannt, ab Juli einen sozialversicherungspflichtigen Job in einem Landesunternehmen angeboten bekommen. Etwa als KitahelferInnen, SchulorganisationsassistentInnen oder MobilitätshelferInnen.

Die Zielgruppe, die von diesem Angebot profitieren kann, umfasst nach Angaben der Arbeitsagentur rund 40.000 Menschen. Da erscheinen 1.000 Jobs eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Andererseits hört man gerade aus der Arbeitsagentur, dass diese „arbeitsmarktnahen“ Arbeitslosen bei der aktuellen Wirtschaftslage ohnehin noch relativ gut vermittelt werden könnten und das große Problem die wirklichen Langzeitarbeitslosen seien – knapp 60.000 BerlinerInnen beziehen schon vier Jahre und länger Arbeitslosengeld II.

Dass Berlin die Gruppe der noch recht gut vermittelbaren Arbeitslosen mit öffentlicher Beschäftigung und einem Etat von 38 Millionen Euro allein für das Jahr 2019 fördern will, konnte man in der Bundes-SPD offenbar nicht so gut nachvollziehen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte ohnehin schon eigene Pläne in der Schublade, im Januar ist das Teilhabechancengesetz in Kraft getreten, das Arbeitslose fördert, die mindestens 6 Jahre Arbeitslosengeld II beziehen.

Auf fünf Jahre ist Müllers Pilotrojekt, das ganz auf Freiwilligkeit setzt und auch einen Nutzen für die Gesellschaft verspricht, angesetzt. Danach sollen all jene, die nicht von ihren kommunalen ArbeitgeberInnen regulär angestellt werden, vom Land unbefristet weiterbeschäftigt werden. Solche Ankündigungen haben bekanntlich die Verfallsdauer einer Regierungsperiode, im Fall Müller sind das noch zweieinhalb Jahre, falls er nicht wiedergewählt wird. Es wird sich also zeigen, ob sein SGE Schule macht und im Rückblick tatsächlich ein erster Schritt zur Überwindung von Hartz IV war. Oder ob doch nur eine weitere kryptische Abkürzung und der eingangs erwähnte Witz übrigbleiben. Manuela Heim

Nicht bloß Kerzenschein-Romantik

Der Köpenicker Stromaus-
fall wirft ernste Fragen auf

Warum eigentlich verfügen nicht mal Krankenhäuser über ausreichende Notstromversorgung?

Wie HeldInnen wurden in den vergangenen Tagen in Berliner Medien die tapferen Köpenicker und Köpenickerinnen gefeiert, die mutig und unverzagt einen mehr als dreißigstündigen Stromausfall überstanden haben. Tatsächlich muss man sich fast darüber wundern, dass dieser – jedenfalls nach bisherigem Kenntnisstand – ohne größere Katastrophen und Dramen verlief.

Denn es kann einem wirklich Angst machen, welche Folgen ein solcher Stromausfall mit sich bringt. Die bei Bauarbeiten verursachte Havarie ließ von Dienstagmittag bis Mittwochabend ja nicht nur Ampelanlagen und Straßenbeleuchtung ausfallen, Fahrstühle und automatische Türen stehen bleiben oder Kühltruhen warm und Heizungen kalt werden. Auch Internetrouter und damit ein großer Teil der Festnetztelefone funktionieren heutzutage nicht mehr ohne Strom, Handyakkus sind ohne nicht aufzuladen – und kaum jemand besitzt wohl noch batteriebetriebene Radios. Selbst das Köpenicker Krankenhaus musste seine Versorgung einschränken und etwa Operationen verschieben und PatientInnen der Intensivstation verlegen.

Ein Held ist, wer sich in Kampf und Krieg durch Tapferkeit hervortut oder sich mutig einer schweren Aufgabe stellt, heißt es im Duden. Nun, die Köpenicker hatten keine Wahl – und manche sicher noch weniger als andere. Wer jung und mobil ist und/oder über ausreichend moderne Medienkompetenz verfügt, wird sich zu helfen gewusst haben und ist vielleicht einfach bei Freunden in anderen Bezirken untergeschlüpft. Wer aber etwa alt und bewegungseingeschränkt ans Haus gefesselt ist und vielleicht keine Powerbank für sein Handy hat, zudem mangels Strom von medialer Information über mögliche Hilfen im Notfall abgeschnitten war, hat vermutlich ziemlich Panik bekommen.

Der Stromausfall – sosehr ihn manche Medien auch romantisieren mögen – hat ernste Probleme aufgezeigt. Was, wenn so ein Ausfall noch größere Gebiete beträfe? Wie wäre den Menschen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können? Wie kann es sein, dass eine Firma baut, die offenbar nicht über den Verlauf von Stromkabeln informiert ist? Wieso liegen ein wichtiges Kabel und das Ersatzkabel für dieses so dicht beieinander, dass gleich beide bei einer Bohrung zerstört werden können? Wie kann es sein, dass nicht einmal Krankenhäuser über ausreichende Notstromversorgung verfügen?

Digitalisierung ist das große Ding in der Politik, erstmals hat Berlin unter R2G sogar eigens einen Staatssekretärsposten für Informations- und Kommunikationstechnik geschaffen. Diese Woche hat gezeigt, dass bei aller Begeisterung über die Möglichkeiten der neuen Kommunikationstechnologien auch ihre Nachteile im Blick bleiben müssen. Alke Wierth

Tatsächlich muss man sich darüber wundern, dass dieser Stromausfall ohne größere Katastrophen ablief

Alke Wierthüber den 30-Stunden-Black-out im Südosten Berlins