berliner szenen Erdfarben

Als Zitat von anderem

Wir saßen im Friedrichshain und jausten im Grünen neben dem Kunstberg, an dem manchmal manche kletterten. Der Sohn einer Freundin spielte mit landsknechtshaften Erwachsenen, die wohl aus der Szene der Rollenspieler kamen. Die Simulationäre waren in Erdfarben gekleidet und hatten große Schwerter, Beile und Schilder aus Pappe wohl, mit denen sie in Zweikämpfen aufeinander einhauten. Das war hübsch anzuschauen. Manchmal fiel jemand tot um.

Wir tranken Bier und unterhielten uns. A und B waren grade in Hongkong gewesen und erzählten von ihrem Urlaub. Aber eigentlich sagten sie gar nicht so viel, sondern ließen das Handy kreisen. Auf dem Handy waren kleine Akustikclips, die sie im Bus, in der U-Bahn oder auf dem Moskauer Flughafen aufgenommen hatten. Man hielt den Mund des Handys an sein Ohr und hörte ein tolles, leises, leicht blechernes Stimmengewirr, manchmal mit Verkehr drin oder Hall. Man verstand überhaupt nichts, aber hinter dem Verrauschten war es irgendwie auch klar und lebendig, so wie ein melancholisch verwischtes Urlaubsfoto.

Später, auf einem Open-Air auf einem Parkplatz in der Köpenicker Straße, hatte der DJ einen schönen Techno-Remix des T.Rex-Klassikers „Hot Love“ gespielt. Als ich ein Bier bestellte, hatte ein Zettel auf dem Tresen gelegen, auf den jemand in Kugelschreiberdruckbuchstaben geschrieben hatte „TIP is not a town in china“. Und A hatte gesagt, dass das bestimmt so ein amerikanischer Hippiewitz von früher wäre und ich hatte gedacht, dass „town in china“ als TIC abgekürzt werden müsste und dass das Blöde am Älterwerden ist, dass man automatisch bei so vielen Sachen denkt, sie wären nur Zitate von anderem. DETLEF KUHLBRODT