wortwechsel
: „Lieber Gott, der Papst soll bitte auch streiken“

Schülerstreiks kämpfen für eine radikale Wende in Politik und Wirtschaft – für unser Klima. Der Vatikan kämpft nicht radikal – gegen den sexuellen Missbrauch in der eigenen Kirche

Tausende SchülerInnen demonstrieren, hier in Berlin: Politik auf der Straße, Unterricht für alle Foto: Björn Kietzmann

„Future for Fridays“, taz vom 23./24. 2. 19

Anweisung von oben

„Finn geht aufs Schloß-Gymnasium Benrath, ist 18 Jahre alt und macht gerade sein Abitur. Doch anstatt sich aufs Lernen zu konzentrieren, geht er lieber jeden Freitag demonstrieren.“

So oder so ähnlich beschreiben die lokalen und nationalen Medien Leute wie mich. Schüler, deren Verhalten immer noch, nach all den Wochen, im Hinblick auf seine Legitimität, nicht seine Botschaft diskutiert wird. Und es wird meist so getan, als würden wir nichts verlieren dabei, keine schlechten Noten und unentschuldigten Fehlstunden bekommen. Bei weiterem Streiken steht auch schnell die ganze Zulassung fürs Abi auf dem Spiel.

Auch mir drohen die gefürchteten „Unentschuldigten“ und diese werde ich, anders als bei den Jahrgangsstufen 1–10 auf dem Gymnasium, für den Rest meines Lebens an zukünftige Arbeitgeber senden. Ironischerweise hat gerade meine Sozialwissenschaftslehrerin mir diese Fehlstunde verpasst – weil ihr „Chef“ ihr gesagt hätte, dass sie es nicht entschuldigen dürfe. Unser Schulleiter, der „Chef“, machte ebenfalls deutlich, wie gut er mein politisches Engagement fände, aber dass er von „höchster Stelle“ Anweisung erhalten habe, diese Stunden unbedingt als unentschuldigt einzutragen.

Ich finde es bemerkenswert, wie sehr sich unsere Lieblingspädagogen hinter Anweisungen „von ganz oben“ verstecken. Auf der einen Seite heißen sie unseren zivilen Ungehorsam gut, auf der anderen kommen sie nicht auf die Idee, selbst als mündige Bürger zu handeln, statt Repressalien aus dem Kabinett des alteingesessenen Kohleverteidigers Armin Laschet (CDU) dienstbeflissen umzusetzen. Natürlich hat die deutsche Bürokratie und Regelkonformität ihre Vorteile, aber ich fürchte, sie hat in dieser Hinsicht das Demokratieverständnis ihrer Bürger nachhaltig geschwächt. Also, liebe Sowilehrerin: Was sollen wir von euch noch lernen?

Finn Mergenthal, Düsseldorf

Aufstand der Jugend

Die taz-Artikel von Bernhard Pötter lese ich immer gern und mit Gewinn. Aber diesmal – geballtes Unverständnis darüber, was diese Bewegung der Jugendlichen eigentlich ist. Nämlich nicht irgendeine Umwelt-Bewegung. Sie nennen sich selber „Aufstand der Jugend“. Und das mit Recht. Nicht ihrer Zahl nach. Aber aufgrund ihres Inhalts, ihrer Stoßrichtung. Es geht ihnen um die „Rettung des Planeten“. Auf die Frage nach ihren Kontakten mit Politikern sagte Greta Thunberg: „Die wollen nicht mit uns reden. Und wir mit ihnen auch nicht.“ Arroganz werfen ihr manche deshalb vor. Und Bernhard Pötter rät der Bewegung, ihr „müsst Zwischenziele und Teillösungen formulieren: Mindestpreis für CO2, Kerosin besteuern“, „geht da hin, wo gesellschaftliche und politische Entscheidungen fallen: in Parteien, Umweltverbände, Gewerkschaften, Kirchen, wenn ihr etwas erreichen wollt“.

Nein, viermal Nein! Die herrschenden politischen Strukturen, von den Parteien bis zu den Umweltverbänden, sind alle Teil des Systems, das die Menschheit schnurstracks in den Untergang führt. Und Greta stellte (in Kattowitz) klar, was sie anstrebt: „Das Notwendige, nicht das politisch Mögliche“. Was muss geändert werden, wurde sie in Davos gefragt? Ihre Antwort: „Everything!“

Aufgabe dieser Bewegung ist absolut nicht, über Zwischenziele zu verhandeln. Die Naturgesetze sind nicht verhandelbar, hat die Bewegung erkannt. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Entscheidungsträger „in Panik geraten“, wie Greta es drastisch ausdrückt. Alle unseren persönlichen und politischen Vorhaben und Ziele, vom Abitur bis zum Nachtflugverbot, sind letztlich sinnlos, wenn die Klimakatastrophe nicht aufgehalten wird.

Die Aufgabe von uns Älteren (und in zahllosen Kämpfen Erfahrenen) ist es nicht, den Jungen Ratschläge zu geben, sondern für uns Aktionsmöglichkeiten zu finden, die auf der Höhe des Engagements der Jugendlichen sind:

Radikal, konsequent und furchtlos.

Ingo Speidel, Stuttgart

„Papst zieht den Schwanz ein“,

taz vom 25. 2. 19

Zurück ins Mittelalter?

Wir fallen zurück ins Mittelalter, ins finstere. Bernhard von Clairvaux und Martin Luther, um nur diese historischen Eckpunkte zu nennen, sahen sich von Teufeln auf Schritt und Tritt gepiesackt – und warfen mit Tintenfässern nach ihnen. Heute, wie es Papst Franz gerade getan hat, den Satan für alle Übel auf Erden verantwortlich zu machen, hilft der Kirche – aber welcher konkret, nur der katholischen? – wieder mal bestens aus der Klemme. Wer kann sich schon gegen den Satan wehren?

Und: Wenn’s alle „satanisch beeinflusst“ tun, kann es ja nicht so schlimm sein. Oder? Gérard Carau, Beckingen

Wer tanzt ums Feuer?

Dass das Zölibat abgeschafft gehört, Geschiedene und Wiederverheiratete keine Aliens sind, geschenkt! Aber es geht in der katholischen Kirche vor allem um eins: um den Erhalt von Macht für eine bestimmte Kaste von Menschen in dieser Kirche, die Amtsträger, die über die alleinige Befugnis verfügen, ein Mysterium zu zelebrieren und die damit die Schlüssel in der Hand halten, nach der lingua interna.

Vergewaltigung und eben auch Kindesmissbrauch hat nur in den oberen Hautschichten etwas mit Sex oder Sexualität und damit auch mit Moral zu tun. In tieferen Schichten geht es immer um Macht und ihren Erhalt. Die Moral ist also, so gesehen, nur das Gewand. Aber der Corpus unter diesem Gewand zittert, weil er das verliert, was seine Identität ausmacht oder was er als seine Identität definiert.

Die entscheidende Frage ist also: wer darf in nächster Nähe ums Feuer tanzen? Die katholische Kirche müsste viel weiter gehen, als nur ihre moralischen Kategorien und die daraus folgenden Verhaltenskodices zu überdenken. Sie müsste sich ernsthaft fragen: Um welche Mitte vereinen wir uns wirklich und was hat die Macht, die wir erhalten wollen, mit dem zu tun, auf den wir uns berufen?

Hildegard Meier, Köln