Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um:
Neulich: Telefonat mit Dominikus Müller. Der Kritiker und Journalist berichtete von einem Spaziergang in Charlottenburg, bei dem ihm eine Messingtafel an einem Haus in der Schlüterstraße aufgefallen war: „Galerie: geni(t)ale UNIVERSITÄT / offenes Museum / Täglich geöffnet v. 17.00 – 19.00 außer Sa. / Helga Sophia (Goetze) / HH II“. Sofort verabredeten wir uns für den darauffolgenden Tag, um die Ausstellung zu besuchen. Helga Goetze war einst eine Berliner Berühmtheit. Über dreißig Jahre lang stand sie mehr oder weniger täglich an der Gedächtniskirche, um öffentlich und lautstark für das Ficken und den Frieden zu demonstrieren: „Ficken macht friedlich“. Im Film „Rote Liebe“ von Rosa von Praunheim spielte sie eine Hauptrolle und Christoph Schlingensief holte sie in seine Talkshow. Doch im Hinterhof des besagten Hauses an der Schlüterstraße fanden wir – nichts. Früher, so erklären es uns freundliche Nachbarn, hätte sich hier tatsächlich mal das Atelier der Künstlerin befunden. Man konnte ihr während der Öffnungszeiten bei der Produktion ihrer Stickbilder zuschauen. Das ist lange her. Goetze starb Anfang 2008. Das Schild ist geblieben.
Die Geschichte der langen Dauer wird offensichtlich in der Schöneberger Zwinger Galerie verfolgt: „Marc Brandenburg fotografiert Tabea Blumenschein mit seinem iphone“ lautet der Titel einer Ausstellung, deren Werke mit dem geheimnisvollen Label Susi Pop assoziiert sind. Der Schwerpunkt liegt auf den magentafarbenen Portraits – entstanden seit den späten 80ern, mit und ohne Auftrag. Viele bekannte Gesichter sind versammelt: Die Sammlerin Erika Hoffmann, die Künstlerin und Musikern Käthe Kruse, der Film-Künstler Heinz Emigholz oder Peter Raue. Der Rechtsanwalt und Kunstförderer trägt den Spitznamen „Mr. MoMA“, seit es ihm gelang, Highlights aus der MoMA-Sammlung Anfang der Nullerjahre für einen Sommer lang nach Berlin zu holen. Natürlich spekuliert man insgeheim sofort, ob die Inspiration für das grelle Magenta-Pink, mit der das Spektakel seinerzeit in der ganzen Stadt beworben wurde, auf die Telekom oder Susi Pop zurückging (bis 23. 3., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Mansteinstr. 5).
Eine außergewöhnlich gute Schau ist dem Künstler Martin Städeli in der Laura Mars Gallery gelungen. Der Ausstellungstitel lautet: „Kann die Schnecke fliegen?“ Städeli arbeitet sich vom Einfachen (Papier, Kleister, Pappe, Draht, Holz und Farbe) hin zum Komplexen. Naturbezüge und Fantastisches werden plastisch: Schnecken, kleine Vögel und Sci-Fi-Aliens im Trockenschlamm-Kostüm versammeln sich (bis 23. 3., Mi.–Fr. 13–19, Sa. 13–17 Uhr, Bülowstr. 52).
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