wortwechsel: Sicherheit von gestern: Europa „wehrt“ sich?
Die Münchener Sicherheitskonferenz, früher „Wehrkundetagung“ genannt, schürt Kriegsängste. Was ist uns „Heimat“ heute – wer darf hier „wir“ sein? Russland jedenfalls nicht!
„Europas Stärke misst sich nicht in Sprengköpfen“, taz vom 18. 2. 19
Eine Kriegskonferenz
Wenn dem penetranten Putin-Bashing nicht ein ebenso penetrantes Stoltenberg-, Macron- und Merkel-Bashing folgt, geht die journalistische Glaubwürdigkeit verloren. Dieses nette Spiel mit den Worten Wehrkunde und Sicherheit formuliert an der Wirklichkeit, dass in München eine Kriegskonferenz (!) stattgefunden hat, vorbei. Wir erleben eine Phase der janusköpfigen Ehrlichkeit der politischen Charaktermasken, die in München einen – traurigen – Höhepunkt gefunden hat, der medial perfekt reflektiert wird. Ihr auffälligster Repräsentant ist Trump, der tut, was er sagt, was er meint, was er denkt. In seiner Direktheit oder scheinbaren Dummheit personifiziert er die neoliberale Heuchelei der politischen und ökonomischen Eliten, die den Menschen – ihren WählerInnen – Interesse an ihnen und ihrem Wohlergehen vorgaukeln, getrieben von der Mehrung eigener Macht und greifbarer Vorteile. Eine bislang unerreichte Stufe dieses Täuschungsmusters hat allerdings auch Frau Merkel erklommen, noch raffinierter verpackt und deshalb, selbst von kritischen BeobachterInnen, noch schwerer zu durchschauen. Wer, wie Frau Merkel, die Sicherung und Ausweitung des neoliberalen Systems mit allen, aber wirklich mit allen Mitteln zum eigenen politischen Dogma gemacht hat, betreibt eine menschenmordende, Leben zerstörende Agenda. Sie und ihre Regierung drängen seit Jahren und in den letzten Monaten verstärkt auf europäische Aufrüstung, Militarisierung ihrer Politik, mehr Geld für Rüstung, Sanktionen gegen Russland, Ausbau des Waffengürtels um Russland, bekräftigt durch den Aachener Vertrag mit Frankreich.
Günter Rexilius, Mönchengladbach
Böses Russland?
In Ihrem Kommentar steht: „Russland, im Möchtegern-Großmachtmodus, rüstet seit Jahren demonstrativ auf.“ Im aktuellen Yearbook 2018 des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) ist nachzulesen: „Russland senkte seine Militärausgaben dagegen um 20 Prozent auf 66,3 Milliarden US-Dollar.“ Zum Vergleich die Militärausgaben der USA: 610 Milliarden US-Dollar. Mit nachdenklichen Grüßen. Eckhard Hempfling, Niestetal
Bestes Deutschland je
hallo, habt ihr das auch schon mitgekriegt? ich leb jetzt schon bald an die 70 jahre in diesem deutschland. im moment haben wir das beste deutschland, das es je gab. es tut sich was. schaut doch bitte genau hin. die menschen sind um vieles offener. kam mir gerade so in den sinn. anarchistische grüße.
Stephan Popovic, Stuttgart
„Nicht unsere Heimat“,taz vom 16. 2. 19
Ich mag meine Heimat
Ich hänge an meiner Heimat. Ich sehe das alles zwar bedroht durch diese nationalen Nerds aller Coleur, aber so geht irgendwie Entwicklung. Das Alte braucht seine Zeit, um zu verschwinden. Der Artikel von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah hinterfragt mich mal wieder. Während des Lesens immer wieder zustimmen und irgendwie zum Schluss dann auch traurig, nachdenklich.
Ich bin der klassische Bewohner des Seehoferischen Heimatmuseums: totales Weißbrot, erzkatholisch – aber das hat sich jetzt mit den Nonnen-Priester-Geschichten auch bei mir erledigt – Landei, verheiratet, Kind und braver Arbeitnehmer mit Perspektive Rente. Trotzdem, der Frust, die Wut im Artikel ist so gut zu verstehen. Ich selbst kann manche Namen nicht aussprechen, gehe bei vielen erst mal von fehlenden Deutschsprachkenntnissen aus, misstraue Menschenansammlungen (gilt natürlich auch für Glatzen oder Fußballstadion). Anderes ist mir noch nicht mal bewusst.
Andererseits bin ich entsetzt über das derzeitige Misstrauen gegenüber allem und allen „Fremden“; der Umgang mit Randgruppen und Hilfesuchenden ist skandalös. Es gilt den Begriff „Heimat“ mit den Menschen zu füllen, die hier leben. Da kann der Seehofer ruhig Vorsitzender des „Heimatmuseums“ bleiben, das hat aber schon lange nichts mit der Gegenwart oder gar Zukunft zu tun.
Heinz Kurtenbach, Much
Heimat ist Privatsache
Mit Heimat ist es im Grunde wie mit dem Glauben: Man kann ihn haben oder nicht, und wenn man ihn hat, ist er eine vollkommen subjektive Sache, die sich nicht rational oder nachprüfbar fassen lässt. Ich fordere darum heute, in Anlehnung an die älteste politische Forderung der Linken, die Trennung von Staat und Heimat – letztere ist Privatsache und geht niemanden was an.
Und in Anlehnung an die religiöse Praxis eines Großteils der Bevölkerung (nämlich persönlicher Glaube abseits von organisierten Kirchen) empfehle ich den Menschen ein persönliches Heimatgefühl abseits von organisierten Nationalitäten. Bei der Religion haben wir es in Deutschland im Grunde geschafft, das Mittelalter so weit zu verdünnen, dass es heute nicht mehr ätzt; das sollte uns doch auch bei den aus der frühen Neuzeit stammenden Konzepten Heimat und Nationalität gelingen können. Florian Suittenpointner, Köln
Kraus gegen Kerr
„Die Kinder verstehen die Welt besser als ich“, taz vom 16./17. 2. 19
Wenn die interviewte Judith Kerr angibt, ihr Vater habe einen „Riesenkrach“ gehabt mit Karl Kraus, ist das zugleich wahr und sehr einseitig. Karl Kraus hat mehrfach gegen Kerr polemisiert und darin einen bemerkenswerten Kampf geführt. In der Fackel vom Oktober 1926 wird Alfred Kerr mit einer Reihe von Kriegsgedichten konfrontiert, die er während der Zeit des Ersten Weltkriegs verfasst und deren Autorschaft er später abgestritten hatte. Diese Repliken von Karl Kraus, die Alfred Kerr zu – in damaliger und heutiger Sicht – irritierend-peinlichen Reaktionen nötigten, gehören heute zu den Glanzpunkten polemischer Satire, die an der Wahrheit – und nichts anderem – orientiert waren.
Thomas Keller, Frankfurt am Main
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