Der Kandidat von Occupy

Lange, sagt Matthias Cravan, sei er am Occupy-Camp vorbeigegangen. Dann überwindet der 45-jährige die Schwellenangst: Redet mit vielen Menschen, die in Sichtweite von drei Bankinstituten übernachten, Veranstaltungen machen, Aufklärung betreiben.

„Ich habe mich seit über 20 Jahren mit Politik beschäftigt“, sagt Cravan, durch die Zeit im Camp habe er gelernt, wie wichtig Kommunalpolitik ist: „Sie betrifft das unmittelbare Lebensumfeld.“ Ein Wahlkampfspruch? Schließlich will Cravan, von Haus aus Bauarbeiter, Oberbürgermeister von Kiel werden. Zunächst habe er selbst mit dem Gedanken gespielt, dann sei vor vier Wochen auf einem Occupy-Plenum die Idee für die Kandidatur geboren worden. Seine Reaktion: „Ich mach’s!“

Aber der Frührentner ist kein cleverer Politikmanager, er wirkt eher überrascht, was jetzt, nachdem er die Unterstützungsunterschriften anerkannt bekam, auf ihn zurollt. Auch, wenn er es nicht auf den Chefsessel im Rathaus der Landeshauptstadt schafft, will er sich weiter politisch engagieren – Wählerinitiativen oder ein Parteieintritt kämen infrage.

Andererseits spart Cravan auch nicht mit Kritik am Führungspersonal der Parteien. Die redeten nur über die Leute, anstatt das direkte Gespräch zu suchen. Politische Sortierungen findet Cravan fürchterlich, ordnet sich selbst aber als „Mitte-links“ ein. „Unabhängigkeit“ ist bei Cravan ein wiederkehrendes Wort. Bei Occupy vermisst er klare Forderungen, findet, dass es schwierig sei, dort Konsens zu finden.

Das theoretische Rüstzeug für die politische Arbeit holt sich Cravan beim Lesen: Geschichte, Politik und Psychologie sind die Themen, denen er sich widmet. „Nebenbei sammele ich auch ein wenig antiquarische Bücher.“ Badminton und Bowling interessieren ihn, er kocht. Das Wahlergebnis? „Das ist schwierig vorhersehbar – irgendwas zwischen null und zehn Prozent.“ Außer Cravan treten vier weitere Männer und Frauen an, ausgezählt wird am 28. Oktober. FBT