„Das heizt eine Anti-Türken-Stimmung an“

Safter Cinar hofft darauf, dass die Kampagne gegen den EU-Beitritt der Türkei in der CDU keine Befürworter findet

taz: Herr Cinar, der hessische Ministerpräsident Roland Koch drängt darauf, den Wahlkampf zu emotionalisieren und den EU-Beitritt der Türkei zum Wahlkampfthema zu machen. Was halten Sie davon?

Safter Cinar: Nichts. Damit werden nur Emotionen aufgeheizt. Das ist genau wie bei der Debatte um die doppelte Staatsangehörigkeit, die sich auf der Straße zu einer Anti-Ausländer-Aktion gewandelt hat. Genau dieselbe Gefahr besteht jetzt bei der durchaus legitimen Frage, ob die Türkei der EU beitreten soll. Das kann schnell zu einer Anti-Türken-Stimmung werden, wobei die Religion eine ganz besondere Rolle spielt. Das alles dient dem Zusammenleben nicht.

Roland Koch würde das in Kauf nehmen, er hat ja mit diesem Schachzug bereits eine Landtagswahl gewonnen …

… und in der Integrationspolitik viel Porzellan zerschlagen. Das sollte man unterlassen. Mit solchen Kampagnen heizt man in der Mehrheitsbevölkerung die Stimmung gegen die türkischen MitbürgerInnen an. Und bei den Türken wird so das ohnehin vorhandene Gefühl, man will uns nicht, obwohl wir Wähler sind, weiter verstärkt. Es wirkt also auf beiden Seiten desintegrativ. Das können wir nicht brauchen. Aber immerhin sieht es jetzt so aus, als würde Roland Koch sich in der CDU mit seiner Position nicht durchsetzen.

Es gibt türkischstämmige Wähler, die der CDU zugeneigt sind. Schreckt die CDU mit einer solche Kampagne diese Wähler ab – zum Beispiel den türkischen Mittelstand?

Ja, viele Türken, die sich zum Beispiel aus ökonomischer Sicht besser bei der CDU aufgehoben fühlen, sagen, dass sie die Haltung der CDU zum EU-Beitritt letztlich davon abhält, wirklich die Union zu wählen. Die CDU kann damit vielleicht am rechten Rand Wähler abfischen, aber die türkischstämmigen Migranten gewinnt sie so nicht.

Legt die CDU auf diese Gruppe, die bundesweit immerhin rund 500.000 Wähler umfasst, zu wenig Wert?

Wenn man bedenkt, dass die letzte Bundestagswahl mit gerade mal 8.000 Stimmen Mehrheit entschieden wurde, kann die CDU diese Klientel eigentlich nicht beiseite schieben.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE