Kochs Kampagne stockt

Hessens Ministerpräsident Koch wollte EU-Beitritt der Türkei zum Wahlkampfthema machen. Wenig Gegenliebe in der Union

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Das Nein zu einem EU-Beitritt der Türkei bleibt für die Union ein Wahlkampf-Joker, den sie je nach Bedarf herausziehen kann. Kanzlerkandidatin Angela Merkel und ihre Berater sehen aber zumindest im Moment offenbar noch keinen Anlass, die ablehnende Haltung der Union zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei stärker als bisher zu betonen.

Eine entsprechende Anregung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, die am Wochenende für Aufregung gesorgt hatte, wurde gestern von allen maßgeblichen Führungskräften der Union als eher unwichtige Randbemerkung, die man nicht weiter zu beachten habe, eingestuft – auch von Koch selbst.

Die Union habe eine klare Reihenfolge, was die Prioritäten im Wahlkampf angeht, betonte Koch vor der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin – und da stehe die Türkei nicht obenan. Man müsse zwar auch zu außenpolitischen Fragen Stellung nehmen, gewiss, aber an erster Stelle gehe es nach wie vor um Arbeitsplätze. Damit schwenkte Koch brav auf die Merkel-Linie ein: Weiter über die Türkei reden – aber nicht zu laut.

Über Koch war zuvor berichtet worden, er habe in einer internen Sitzung über die Wahlkampfstrategie der Union gesagt: „In den letzten zwei bis drei Wochen brauchen wir Themen, die wir zuspitzen können.“ Das könne „zum Beispiel der Türkei-Beitritt zur EU“ sein. Aus seiner Umgebung hieß es dazu, man wolle diese Zitate nicht dementieren, sie seien aber auf jeden Fall überinterpretiert worden. Entgegen anders klingenden Darstellungen habe der hessische Ministerpräsident nie daran gedacht, die Türkei zum Thema Nummer eins zu machen.

Merkel will das Thema weiter so behandeln wie bisher – als Nebenaspekt. Es sei richtig, darauf hinzuweisen, dass eine von der Union geführte Bundesregierung für eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei eintreten werde statt für eine Vollmitgliedschaft des Landes, erklärte Merkel. „Das tue ich heute in meinen Wahlkampfreden und das werde ich auch weiter tun.“ Aber mehr sei nicht geplant, versichern ihre Leute – schon gar kein gemeinsamer Vorstoß mit der FDP, wie gemutmaßt wurde, oder gar Unterschriftenlisten. Es gebe für die Union „eine klare Agenda“, betonte Merkel, „die heißt: Vorfahrt für Arbeit, Zukunft für Familien, und dann“, aber eben erst dann, „kommt natürlich die Außen- und Europapolitik“.

Der von der Türkei angestrebte EU-Beitritt werde ganz gewiss nicht das zentrale Thema, stellte auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff klar.

„Das Thema Türkei wird sicher eine Rolle spielen“, sagte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok der taz, „aber nicht im Sinne von Plakaten oder einer Kampagne.“ Die Türkei sei nicht das Thema, mit dem man im Wahlkampf emotionalisieren sollte, erklärte Brok. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament findet, „Arbeit ist und bleibt das wichtigste Thema.“

Merkels Kompetenzmann für die Außenpolitik, Wolfgang Schäuble, hatte schon letzte Woche klargestellt: „Wenn Ankara die Bedingungen erfüllt, können die Verhandlungen beginnen.“