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: Bundesregierung halbiert Wachstumsprognose fast

Wirtschaftsminister Altmaier ist pessimistischer als andere Ökonomen: Er senkt die Vorhersage für 2019 von 1,8 auf 1,0 Prozent und setzt auf Forschungsförderung und Ende des Soli

Das Neue

Die Bundesregierung hat die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr nahezu halbiert – von bislang 1,8 auf 1,0 Prozent. Das wäre das kleinste Plus seit 2013. „Der Gegenwind, vornehmlich aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld, nimmt zu“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts.

Der Kontext

Vor allem ein ungeordneter Brexit und der Handelsstreit mit den USA seien Risiken für die deutsche Wirtschaft. Um die Konjunktur zu stützen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, will Altmaier forschende Unternehmen stärken. Die Bundesregierung werde bis zur Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Ziel soll es sein, dass auch Investitionen, die in der zweiten Jahreshälfte oder später getätigt werden, rückwirkend für das gleiche Jahr geltend gemacht werden können.

Altmaier will auch Planungen beschleunigen, damit schneller investiert werden kann. Mit seinem Ziel, den Solidaritätszuschlag vollständig abzubauen, stößt der CDU-Politiker allerdings auf Widerstand der SPD. Im Koalitionsvertrag ist die Abschaffung für 90 Prozent der Soli-Zahler ab 2021 beschlossen. Die Union möchte aber auch die Streichung für die anderen 10 Prozent, die 50 Prozent des Soli-Aufkommens beisteuern.

Die Reaktionen

Mit ihrer 1,0-Prognose setzt sich die Bundesregierung an die Spitze der Konjunkturpessimisten. Alle großen Forschungsinstitute rechnen bislang mit einem kräftigeren Zuwachs. Daher kommt auch Kritik aus dem Lager der Ökonomen: „Ich halte das für Zweckpessimismus der Bundesregierung“, sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Gustav Horn. „Denn sie will im Laufe dieses Jahres sagen, dass alles viel besser gelaufen ist als zunächst erwartet, vor allem dank ihrer Bemühungen.“ Die konjunkturelle Dynamik in Deutschland sei intakt und werde insbesondere vom privaten Konsum getragen.

Kritik äußerten auch Wirtschaftsverbände. So plädierte der Außenhandelsverband BGA neben einem beschleunigten Ausbau der Infrastruktur für niedrigere Unternehmensteuern. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte von Altmaier eine umfassende Industriestrategie; die Grünen plädierten dafür, sich angesichts der Spannungen mit den USA auf die EU zu fokussieren. Altmaier sah keinen Grund zur Panik: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich auch in diesem Jahr auf Wachstumskurs, das zehnte Jahr in Folge. Das ist die längste Aufschwungsphase seit 1966.“ 2019 solle die Arbeitslosenquote von 5,2 im vergangenen Jahr auf 4,9 Prozent sinken, gleichzeitig die Zahl der Beschäftigten auf das Rekordniveau von 45,2 Millionen steigen.

Die Konsequenz

Der Staat wird der Prognose zufolge seine Verbindlichkeiten weiter abbauen. Der Schuldenstand dürfte unter die Marke von 60 Prozent des BIP fallen, die in den EU-Verträgen als Obergrenze festgelegt ist. (rtr)

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