Amen für den Weltbergbautag

Wie einen „Weltjugendtag“ für Kumpel inszeniert die Bergbau-Gewerkschaft ihre Konferenz „Zukunft statt Auslaufbergbau“. Beschäftigte, Gewerkschafter und zwei Geistliche gospeln für Subventionen

AUS BOCHUMMARTIN TEIGELER

Es ist dunkel im Bochumer Ruhr-Congress-Zentrum. Passend zur düsteren Beleuchtung singen 2.000 Bergleute leise ihr Lied: „Glück auf, Glück auf! Der Steiger kommt!“ Die stolze Weise vom beschwerlichen Arbeiten unter Tage wird eher gesummt als geschmettert. Viele Kumpel scheinen den Text des Bergmannslieds nicht mehr zu kennen. Einige Männer lesen auf einem ausgeteilten Handzettel die Lyrics nur mit. Dutzenden Kolleginnen und Kollegen ist überhaupt nicht nach Singerei. Sie verweigern sich dem traurigen Chor und verlassen den Saal. Schicht im Schacht: Im Foyer gibt‘s nämlich Mittagessen.

„Zukunft statt Auslaufbergbau – Deutschland braucht unsere Steinkohle“ heißt die Veranstaltung am gestrigen Vormittag. Aus ganz NRW und dem Saarland hat die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) Kumpel zusammengetrommelt. In Bussen wurden sie nach Bochum gefahren, um im Bundestagswahlkampf öffentlichkeitswirksam Stimmung zu machen für den hoch subventionierten Bergbau (siehe Infokasten). Die politischen Zeiten sind schwierig für die IGBCE. In Düsseldorf regiert erstmals seit Jahrzehnten eine Koalition, die nicht mit den Stimmen der Bergleute an die Macht gekommen ist. Und bei der Bundestagswahl im September könnten ebenfalls die steinkohlekritischen Parteien CDU und FDP gewinnen. Während die Zechenarbeiter langsam eintrudeln, spielt das Werksorchester der Deutschen Steinkohle (DSK) ein paar Songs zur Untermalung. „New York, New York“, musiziert die Traditionsband und im Kongresszentrum trinken sie dazu starken Kaffee und essen dick belegte Butterbrote mit Schinken.

Zur Unterstützung hat die Gewerkschaft auch zwei Geistliche eingeladen. Der katholische Weihbischof Franz Grave aus dem Bistum Essen ist da und der evangelische Landespfarrer Ludwig Rieber ist ebenfalls solidarisch. Bevor die beiden Christenmenschen sprechen, wird der sowieso schon schwach beleuchtete Saal vollends abgedunkelt. Auf einer Leinwand läuft ein Reklamefilm für die Kohle. Zu 80er-Jahre-mäßiger Klaus-Lage-Rock-Musik sind Bilder von selbstbewussten Bergmännern zu sehen. Eine E-Gitarre rockt und unter Tage wird das schwarze Gold aus der Erde gekloppt. „Verlasst euch auf uns!“, sagt ein schwarzgesichtiger Kumpel optimistisch. Am Ende des Streifens steht der Schriftzug: „Wir sind bereit!“ Alle klatschen höflich. Das Licht im Saal geht wieder an.

Bischof Grave tritt ans Rednerpult und lobt den Film. Der Katholik fordert „Verlässlichkeit“ und „Sozialverträglichkeit“ bei der schrittweisen Verringerung der Steinkohlesubventionen. Und Grave bricht eine Lanze für die Zukunft des Bergbaus. „Ich bin kein Fachmann für Ökonomie“, sagt er. Auch sei die Kirche „in Fragen der Ökonomie“ nicht zuständig. Aber: „Brauchen wir nicht für die Zukunft die Kohle als eine sichere nationale Energiereserve?“ Der Weihbischof redet über Bergbautechnologie, „High-Tech-Maschinen“ und die Chancen der deutschen Kohle auf dem Weltmarkt. Er bekommt viel Applaus – anders als sonst bei einer Predigt. Auch Protestant Riebe legt sich für eine Zukunft des Bergbaus ins Zeug. Das ist die Botschaft, der Gospel dieses Tages. Gewerkschafter und Geistliche begehen eine Art „Weltjugendtag“ für Kumpel, einen Weltbergbautag der IGBCE.

Dann redet Hubertus Schmoldt, der Gewerkschaftsboss. „Bei der Wahl am 18. September wird auch über die Zukunft der Kohle entschieden“, sagt er. CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel werde sich an Aussagen messen lassen müssen, den Subventionsabbau sozialverträglich ablaufen zu lassen. „Wir hoffen, dass nach dem Wahlkampf die Vernunft zurückkehrt“, sagt Schmoldt. Natürlich ist die ganze Veranstaltung auch eine indirekte Werbeshow für die SPD, die Schmoldt für ihre „verlässliche“ Subventionspolitik lobt. Die Bergleute wissen das, nach drei Stunden verlassen sie das Kongresszentrum. Rund um das Gebäude herum stehen Großflächenplakate der SPD. Die meisten Kumpel würdigen die Reklametafeln keines Blickes und gehen zu den Bussen, die zur Abfahrt bereit stehen.