die woche in berlin
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Berlin hat einen neuen Feiertag, den mann wie frau bereits in diesem Jahr feiern darf, die BVG sorgt für einigermaßen wohlfeile Debatten, während die Idee eines Mietendeckels zumindest jene elektrisiert, die nicht mit Mietern ihr Geld machen – wie aber mit denen umgegangen werden soll, die nicht mal zur Miete wohnen, also obdachlos sind, ist strittig in der Stadt

Darf man sich doch freuen

Der Frauentag ist der neue Feiertag in Berlin

Meine Mutter wurde einst, Anfang der 1970er muss das gewesen sein, am Frauentag als „Aktivist der sozialistischen Arbeit“ ausgezeichnet von ihrem VEB. Blumen waren sicher auch dabei, im Zweifel rote Nelken. Nach einem kräftigen Händedruck vom (männlichen) Chef ging es zurück an die Werkbank.

Am selben Tag wurde auch die Clara-Zetkin-Medaille an verdienstvolle Frauen verliehen – was immer das in der DDR eben geheißen haben mag. Zeitgleich fremdelte die Frauenbewegung in der Bundesrepublik mit diesem 8. März als allzu propagandistischem, von Männern inszeniertem und immer mehr zum „sozialistischen Muttitag“ mutiertem Ehrentag.

Dass es inzwischen eine Rückbesinnung gibt auf den 8. März als Kampftag für die politischen Rechte der Frauen und gegen die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, wird dem Ansinnen einer Clara Zetkin deutlich mehr gerecht. Die sozialistische Frauenrechtlerin war es, die 1910 bei der zweiten internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Initiative ergriff und einen „Internationalen Frauentag“ forderte – das alles vor dem Hintergrund, dass es zu diesem Zeitpunkt außer Finnland kein einziges europäisches Land gab, in dem Frauen wählen und gewählt werden durften.

Das hat sich bekanntlich geändert. Die politischen und gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten gegen Frauen sind heute deutlich subtiler, werden daher selbst von Frauen vielfach geleugnet, und eine Mobilisierung gestaltet sich entsprechend schwieriger.

Es bleibt abzuwarten, ob die Institutionalisierung des 8. März als Berliner Feiertag, die das Abgeordnetenhaus in dieser Woche endgültig vollzog, daran etwas ändert oder ob sich der Anlass dieses freien Tages in die Beiläufigkeit von Karfreitag, Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag einreiht. Der banale Kern, nämlich die Tatsachen, dass die BerlinerInnen jetzt nicht mehr das Schlusslicht in der Feiertagsstatistik bilden und dass dafür kein weiterer, in seiner Bedeutung eher fragwürdigerer, christlicher Anlass herhalten muss, sind ja auch schon ausreichend Grund zur Freude. Da kann nicht nur frau mal wieder demonstrieren gehen!

Manuela Heim

Da kann nicht nur frau mal wieder demonstrieren gehen!

Manuela Heim über den Frauentag als neuen Feiertag in Berlin

Quietschend in der Kurve nach vorn

Bei der BVG läuft es nicht richtig rund

Sparen, bis es quietscht“ war mal die Devise, die ein Regierender Bürgermeister aus den Reihen der SPD zu Beginn des Jahrtausends ausgab. Dass es das jetzt immer mal wieder tut – quietschen nämlich –, sollte also niemanden überraschen. Schon gar nicht Klaus Wowereits Nachfolger Michael Müller, der lange als Senator für den Verkehr in der Stadt zuständig war, aber jetzt wütend ist auf die BVG, deren Bahnen und Busse nicht mehr so richtig rund rollen, sprich: unpünktlich fahren oder gleich ganz ausfallen.

Es war schon reichlich populistisch von Müller und SPD-Fraktionschef Raed Saleh, bei der Fraktionsklausur am vergangenen Wochenende auf den Verkehrsbetrieben herumzuhacken und deren Chefin Sigrid ­Nikutta zum Vortanzen aufzufordern – was diese, munitio­niert mit sehr vielen Zahlen, dann auch tat und dabei die sozialdemokratischen Vereinfachungen etwas zurechtrücken konnte.

Ja, „die Leute kotzen“, wie Saleh gesagt hat, aber dann muss man ihnen eben erklären, dass jahrelang in manche Bereiche des ÖPNV, allen voran die U-Bahn, praktisch nicht investiert wurde. Die grundsoliden Baureihen aus den 70er und 80erJahren schienen ja unverwüstlich zu sein, bis sie, hoppla, doch zu schwächeln begannen. Jetzt stehen etliche Züge bis auf Weiteres in der Werkstatt und fehlen schmerzlich im Betrieb. All das den seit Ende 2016 für Verkehr zuständigen Grünen in die Schuhe zu schieben, funktio­niert nicht.

Auch nicht allzu verwunderlich: Wenn’s beim Material quietscht und knirscht, gleichzeitig aber immer mehr Menschen befördert werden müssen, sinkt die Motivation der Beschäftigten. Die unerwartet hohen Krankenstände sprechen Bände. Die Frage ist eher, warum die BVG nicht schon viel früher auf die Barrikaden stieg. Wie sich die Kluft öffnete zwischen den stetig wachsenden Leistungen, die das Land bei ihnen bestellt, und dem, was sie realistischerweise erbringen können, war ja für Eingeweihte zu beobachten.

Aber man darf ja auch mal nach vorne blicken: In den kommenden Jahren soll Geld wie warmer Schnee auf die Baustellen des Berliner Nahverkehrs fallen und all die klaffenden Lücken gnädig schließen. Nicht weniger als 28 Milliarden Euro will Rot-Rot-Grün in den kommenden 15 Jahren in den ÖPNV stecken; der neue Nahverkehrsplan, auf dessen Grundlage das geschieht, ist angeblich fast beschlussreif. Damit würden die Investitionen im Vergleich zur vergangenen Dekade massiv hochgefahren. Vielleicht wird ja am Ende alles gut.

Claudius Prößer

Friendly fire in der SPD

Idee des Mietendeckels sorgt für Debatten

Seitdem am Montag die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl einen Mietendeckel für Berlin ins Spiel gebracht hat, herrscht in der mieterhöhungsgeplagten Hauptstadt so etwas wie stille Euphorie. Noch will niemand glauben, was Högl unter Verweis auf den Juristen Peter Weber für möglich hält: dass ein Bundesland per Gesetz oder Verordnung selbst darüber entscheiden kann, welche Höchstmiete eingeführt wird. Der juristische Hebel des Gedankens: Seit der Föderalismusreform 2006 liegt die Mietengesetzgebung nicht mehr in der Hand des Bundes, sondern der Länder.

Still ist die Euphorie, weil es derzeit wohl keine Rechtsabteilung in den zuständigen Senatsverwaltungen gibt, die nicht in sich gehen und prüfen würde: Ob das Ganze rechtlich haltbar ist oder nicht doch eine Berliner Kanzlei recht hat, die gerade am Freitag bekannt gab, dass die Miethöhe keine Frage der Gesetzgebungskompetenz sei, sondern des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB. Warum ein SPD-Bausenator nach dem anderen seit 2006 Myriaden von Bundesratsinitiativen gestartet hat, wo doch das Ganze längst im eigenen Haus hätte geregelt werden können. Und zu guter Letzt, welche Miethöhe eigentlich angemessen wäre. Wie weit kann man gehen, ohne dass die Instandhaltung/Modernisierung unwirtschaftlich würde? Wie kann sich ein Mietendeckel unterscheiden von der staatlichen Wohnungspolitik der DDR oder der Zwangsbewirtschaftung, die in Westberlin bis in die achtziger Jahre galt?

Fragen über Fragen, die noch offen lassen, ob die stille irgendwann in laute Euphorie umschlägt und Berlin, die Stadt der Rekommunalisierung und des kommenden Volksentscheids gegen Deutsche Wohnen und Co., endgültig an die Spitze einer neuen kommunalen Wohnungspolitik katapultiert.

Was in der Debatte bislang freilich kaum beleuchtet wurde, ist die Frage, was das alles für die Berliner SPD bedeutet. In Hamburg etwa hat die Idee des Mietendeckels die Linke aufgegriffen, die zur regierenden SPD in Opposition steht. In Berlin kommt die Idee dagegen von einer SPD-Bundestagsabgeordneten, die die eigene Partei mit ihrem friendly fire mächtig unter Druck setzt. Michael Müller und Co müssen also handeln. Und einen gehörigen Spagat hinlegen. Kommt der Mietendeckel wirklich, wird sich Rot-Rot-Grün bis zur Wahl 2021 massiven Klassenkampfvorwürfen ausgesetzt sehen. Kommt er dagegen nicht, könnte die einmal geweckte Hoffnung in Enttäuschung umschlagen, die sich gegen die Koalitionsparteien richtet. Es wird spannend. Uwe Rada

Einheitliche Linie ist nicht in Sicht

Umgang mit Camps von Obdachlosen

Für Obdachlose sind diese Wochen mit nächtlichen Minusgraden die gefährlichsten des Jahres. Vor Kurzem wurde ein Mann morgens tot auf einer Parkbank im Humboldthain gefunden, auf die Leiche eines anderen stießen Passanten in der Nacht zu Freitag auf dem Gelände des ehemaligen Spaßbads Blub in Neukölln. Die Todesursachen müssen geprüft werden, aber dass sie die Männer erfroren, wäre naheliegend.

Wie umgehen mit den Menschen ohne Bleibe, von denen viele aus Osteuropa stammen, die insgesamt mehr werden, unter denen öfter auch Frauen sind oder gar Familien? Nachdem die taz ein Video von der rabiaten Räumung eines Obdachlosencamps in Mitte veröffentlicht hat, wurden diese Fragen in den vergangenen Tagen erneut heftig diskutiert.

Auf der einen Seite steht Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei): Sie will den Leuten vor allem Angebote machen. Rund 30 ehemalige Obdachlose sollen losgeschickt werden, um mit den Menschen auf der Straße besser in Kontakt zu kommen – und sie dazu zu bringen, die Hilfen auch anzunehmen. Obdachlosencamps sollen eine Zeit lang geduldet werden, bis Sozialarbeiter eine Lösung für die Bewohner gefunden haben, sagte Breitenbach der taz.

Natürlich helfe der Bezirk Mitte Obdachlosen in der Not, betonte der Bürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne). Das von Breitenbach vorgeschlagene Modell, Camps monatelang zu dulden, komme für seinen Bezirk allerdings nicht in Betracht, entgegnete er. Die Gefahr sei zu groß, dass Riesencamps oder viele kleine Lager entstünden. Für eine Duldung seien die Grünflächen in Mitte zu zentral gelegen.

Breitenbachs Ansatz ist deutlich empathischer – und damit erst mal sympathischer. Sie bleibt aber eine Antwort schuldig: Woher sollen all die Unterkünfte kommen, die sie den Obdachlosen anbieten will? Schon seit Jahren gibt es in den Bezirken viel zu wenig Unterbringungsplätze für Wohnungslose. Angesichts des immer knapper werdenden Wohnraums dürfte sich das so schnell nicht ändern.

Ob ein Camp geräumt wird oder nicht, liegt in der Zuständigkeit der Bezirke. Die Sozial­senatorin will sich mit allen auf eine berlinweit einheitliche Linie verständigen. Das wird schwierig, so viel steht jetzt schon fest. Antje Lang-Lendorff