DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■ Le Nouvel Observateur (Frankreich)

Ein populistisches Blatt

Was die Angriffe auf Muslime betrifft, ist Charlie Hebdo ein Wiederholungstäter. Wenn Charlie Hebdo nun erneut Ziel eines Anschlags wird, kann das Blatt freudig sagen: „Wir haben euch ja gewarnt, dass das Verrückte sind.“ Das Ganze ist ein Teufelskreis, und dieser darf sich auf keinen Fall wiederholen. Der schlechteste Dienst, den man dieser Zeitung erweisen kann, ist ein gegen sie gerichteter Gewaltakt. Stattdessen sollte man sich für eine politische Kritik entscheiden. Man muss Charlie Hebdo entlarven und klar machen, dass diese Zeitung kein Medium der Freidenker mehr ist, sondern ein populistisches Blatt. Heutzutage in Frankreich über Muslime herzuziehen, zeugt nicht von Mut. Die Redaktion argumentiert mit dem Recht der Meinungsfreiheit. Doch tatsächlich ist es ihr Ziel, ihre sinkenden Verkaufszahlen durch regelmäßige Hiebe gegen Muslime in die Höhe zu treiben.

■ Le Soir (Belgien)

Taube Brandstifter

Auf die Veröffentlichung der Zeichnungen zu verzichten, hätte in keiner Weise unsere freiheitlichen Prinzipien in Frage gestellt. Charlie Hebdo schmückt sich mit vermeintlichen Tugenden. Doch damit dient das Satireblatt nicht der Meinungsfreiheit, sondern benutzt diese, um Öl ins Feuer zu gießen. Wie soll man Muslimen nun erklären, dass echte Demokraten sie ganz bestimmt nicht durch die Veröffentlichung von beleidigenden Zeichnungen oder eines dummen Films kränken wollen? Wo die große Mehrheit der Muslime uns das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Veröffentlichung von Karikaturen doch gar nicht abspricht. Alle Mühe ist umsonst. Auf beiden Seiten gibt es Brandstifter, die sich jeglichen beschwichtigenden Worten gegenüber taub stellen.

■ Corriere della Sera (Italien)

Angst und Heuchelei

Die Reaktion der Fundamentalisten mit ihrer Wut und sogar mit ihren Mordabsichten richtet sich nicht gegen Karikaturen oder Videos von zweifelhafter Qualität, sondern gegen die Demokratien, die deren Verbreitung erlauben und keine systematische staatliche Zensur betreiben. Die Meinungsfreiheit als solche ist für die Fundamentalisten ein Frevel. Im Westen ist die Versuchung groß, sich mit Zensur zu behelfen, aus Furcht vor den Folgen des unverantwortlichen Ausnutzens freiheitlicher Prinzipien. Doch wenn man versucht, dieses neue Zensur-Syndrom mit einer Interpretation von Voltaires Traktat über die Toleranz zu begründen, ist dies pure Heuchelei. Denn der Grund für die Zensur ist einzig die Angst. Die Angst vor einer ungeheuerlichen Reaktion des Islams.

■ 15 min (Litauen)

Der letzte Trick des Diktators

Wodurch unterscheidet sich die Finanzkrise von der Großen Depression (1929–1933), wenn nach nur vier Jahren [seit dem Beginn der Krise] eine weitere Krise droht? Im Vergleich zu den Zeiten der Großen Depression sind die Politiker der reichen Länder noch kurzsichtiger geworden. Aber zugleich schlauer. Sie haben gelernt, die Krise auf später zu verschieben. Litauen ist mit der EU vor vier Jahren in eine permanente Krise getreten, die nie enden wird. Daran wird die Übertragung von Aufsichtsfunktionen von der Litauischen Zentralbank an die Europäische Zentralbank nichts ändern. Europa hat den Konkurrenzkampf gegenüber Asien und den USA verloren. Das haben die Pechvögel in Brüssel kapiert. Nun versuchen sie sich mit dem letzten Trick eines alten Diktators – einer noch stärkeren Zentralisierung – über Wasser zu halten.

■ Jornal de Negócios (Portugal)

Unvereinbare Welten

Portugal fungiert als Labor, in dem Deutschland den vom richtigen Weg abgekommenen südlichen Krisenländern zeigen kann, dass das deutsche Modell das einzig wahre ist. Unsere Regierung ist dabei, die Anordnungen fleißig umzusetzen. Portugal soll in eine Exportwirtschaft wie Taiwan verwandelt werden, mit niedrigen Löhnen und einem irrelevanten Binnenmarkt. In ein Land, das von multinationalen Unternehmen gesteuert wird, die dort ein ultraliberales unternehmerisches Umfeld vorfinden.

Quelle: eurotopics