mauergedenken
: Versackt in der Provinz

„Nicht ärgern, nur wundern!“ ist ein kluger Leitspruch für Menschen, die in die Politik gehen. Wenn sie Glück haben, landen sie in der Bundespolitik und haben wenigstens ab und zu mit intelligenten Argumenten zu tun. Wenn sie Pech haben, bleiben sie in der Lokalpolitik und müssen sich mit meist intellektuell anspruchsloseren Thesen auseinander setzen. Wenn die Lokalpolitikerinnen und -politiker gut sind, finden sie im Kleinen das Große. Die Verantwortlichen im Stadtplanungsausschuss des Bezirksparlaments Mitte gehören nicht in diese Kategorie. Anders ist ihr Entschluss nicht erklärlich, dass Teile der verbliebenen Mauer am Nordbahnhof einem Sportplatz weichen sollen. Der Beschluss ist provinziell und geschichtsvergessen.

KOMMENTAR VON PHILIPP GESSLER

Die Bezirkspolitikerinnen und -politiker haben offenbar vergessen, dass sie es mit historischen Resten zu tun haben, die leider ihresgleichen suchen. Es war schon 1989/90 dumm, die Mauer fast gänzlich zu entsorgen – aber vielleicht ließ sich das damals noch erklären durch die Abscheu gegenüber diesem monströsen Bauwerk, an dem so viele Menschen starben, das Familien und Liebende trennte, das Lebenswege und eine ganze Stadt zerschnitt. Nun aber, 15 Jahre später, sollten wir aus diesen Fehlern der Wendezeit gelernt haben und das Wenige, das noch da ist, bewahren. Um der kommenden Generationen willen, die im umfassenden Sinne des Wortes erfassen können müssen, was das war: die Mauer.

Die Bezirkspolitikerinnen und -politiker aber denken nicht so weit – ein Sportplatz (wie viele gibt es von denen in Berlin?) ist ihnen wichtiger. Gut, dass zumindest die Bausenatorin etwas über den Tellerrand blickt und die Entscheidung an sich gerissen hat. Die Provinz sollte in Berlin nicht immer siegen!