Noch vier Wochen das Ergebnis halten

Union und FDP demonstrieren Einigkeit mit einem „Wechselgipfel“ ohne Streitthemen. Unions-Kanzlerkandidatin Merkel und FDP-Chef Westerwelle kämen gut zurecht, wenn die Umfragewerte so bleiben, wie sie sind. Doch was macht Stoiber?

VON LUKAS WALLRAFF
UND ULRIKE WINKELMANN

Die Spitzen von Union und FDP treffen sich heute zu einem gemeinsamen „Wechselgipfel“ in Berlin. Das klingt bedeutend, spannend, nach Bewegung – doch wirklich interessant sind für Angela Merkel an diesem Termin wohl nur die Fotos vom traut vereinten „bürgerlichen Lager“.

Für das Gespräch mit Edmund Stoiber, Roland Koch, Guido Westerwelle und weiteren Kollegen hinter verschlossenen Türen hat sich die Kanzlerkandidatin gerade einmal eine knappe Stunde freigehalten. Mehr Zeit, soll man daraus schließen, braucht Merkel nicht, um mit ihren potenziellen Koalitionspartnern die Strategie für die letzten Wahlkampfwochen zu besprechen.

Wozu auch? Aus Merkels Sicht dürfte es wenig Anlass geben, noch irgendetwas Entscheidendes zu ändern. „So wie die Umfrageergebnisse jetzt sind, sind sie absolut ideal“, schwärmt man in Unionskreisen. Rund 43 Prozent für CDU/CSU, rund 8 für die FDP. Da können die Liberalen jetzt im Westen der Republik getrost ihre „Zweitstimmenkampagne“ fahren, obwohl die Unions-Strategen das sonst nicht so gerne sehen. Im Osten verzichten die Liberalen sowieso darauf, die Wähler mit Vorschlägen zum Stimmensplitting zu verwirren.

Die Union ist erleichtert, dass die Attacken des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm und des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gegen die Ost-Wähler keine Punkte gekostet haben – sondern im Gegenteil offenbar nutzten. Jetzt, glauben die Unions-Wahlkämpfer, könne wahrhaftig nichts Schlimmes mehr kommen, das der SPD ein unvermutetes Hoch beschert.

Um in der gewünschten schwarz-gelben Konstellation so angenehm wie möglich zu regieren, braucht Angela Merkel eine FDP, die gut über der Fünfprozenthürde liegt, aber nicht zu stark ist. Eine FDP, die ihre Rolle als Reform-Großmaul ausspielen kann, ohne dass der Union die Reform-Regie entgleitet.

Den Steuerexperten Paul Kirchhof ins „Kompetenzteam“ zu holen, war so gesehen auch an der Koalitionsfront ein Geniestreich. Die FDP kann Kirchhof für sich beanspruchen – verficht er doch einen radikalen Wechsel im Steuersystem ganz nach liberalem Herzen. Gleichzeitig bleibt es aber Merkel überlassen, wie sie die Kirchhof’schen Pläne in die Unionsvorstellungen einbettet. Und der leidige Streit zwischen Union und FDP über die Mehrwertsteuererhöhung ist aus dem Scheinwerferlicht gerückt. Sollte die FDP am Ende noch ein paar Stimmen dazugewinnen, wäre es für Merkel auch keine Katastrophe – ein Partner Westerwelle, der stärker auftreten könnte als CSU-Chef Stoiber, wäre ihr womöglich sogar ganz recht. Persönlich und inhaltlich.

Auch andere eher koalitionsschädliche Themen dürften so heute vernachlässigt werden: Der Vorstoß von Hessens Ministerpräsident Roland Koch, mehr Stimmung gegen den EU-Beitritt der Türkei zu machen? Wird ohnehin nicht passieren, heißt es. Die Abgrenzung der FDP von den jüngsten Sicherheitsideen des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU)? Spielen keine Rolle mehr, heißt es.

Einziger Unsicherheitsfaktor an Merkels schwarzgelbem Himmel ist und bleibt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Der wird heute womöglich einen Keil in das schöne Koalitionskonzept mit Kirchhof-Trumpf treiben. Schließlich möchte die CSU grundsätzlich immer stärker bleiben als die FDP. Er könnte heute fordern, dass nur mit dem gemeinsamen Unionskonzept zur Steuersenkung Wahlkampf gemacht wird – und nicht mit Kirchhof’schen Flat-tax-Visionen. Doch wäre es ohne Stoiber ja vielleicht sogar CDU-Wahlkämpfern zu langweilig.