Schwarzer Fleck auf gelbem Trikot

Lance Armstrong spricht zwar von Skandaljournalismus und Hexenjagd, die Seriosität der Dopinganalyse aber kann er damit nicht in Zweifel ziehen

VON FRANK KETTERER

Wie schlecht Niederlagen sich anfühlen, konnte Lance Armstrong erst vergangenes Wochenende erspüren. Exakt 27,2 Kilometer radelte der siebenfache Gewinner der Tour de France da durch kalifornische Canyons und Flüsse, und als er wieder abstieg vom Mountainbike, war er ausnahmsweise mal nicht Sieger, sondern Unterlegener. Dem rasenden Tempo von George W. Bush, seinem Kontrahenten, hatte Armstrong ganz offensichtlich nicht folgen können.

Das Fleckchen, das die Niederlage gegen den eigenen Präsidenten auf der bis dato so blütengelben Weste des Texaners hinterlässt, dürfte freilich mikroskopisch winzig sein. Schon gar im Vergleich mit jenen Spuren, die die Enthüllungen von L’Equipe hinterlassen dürften. Gleich auf vier Seiten widmete sich das französische Sportblatt in seiner gestrigen Ausgabe dem Wirken des Texaners, dass das Werk mit „Armstrongs Lüge“ überschrieben stand, ließ von der ersten Zeile an nichts Gutes erahnen. Das Böse, das darunter stand, lässt sich zusammengefasst so darstellen: Bei einer nachträglichen Untersuchung tiefgefrorener Urinproben des Texaners von der Tour de France des Jahres 1999 sei gleich sechsmal das Blutdopingmittel Epo nachgewiesen worden. Demnach war Armstrong sowohl nach dem Prolog als auch nach der ersten, neunten, zehnten, zwölften und vierzehnten Etappe gedopt.

Das erste Mal ist es freilich nicht, dass der Name Armstrong in Verbindung mit Doping fällt, ganz im Gegenteil: Bereits im Jahr 2000 bezichtigte der französische Fernsehsender France 3 den Texaner und sein Team des Betrugs, sogar die französische Staatsanwaltschaft ermittelte infolgedessen, allerdings ergebnislos. Für einige Aufregung sorgten auch die Anschuldigungen, die die Irin Emma O’Reilly in dem letztes Jahr veröffentlichten Buch „L.A Confidentiel“ erhob. O’Reilly, die dreieinhalb Jahre lang als Physiotherapeutin in Armstrongs Team arbeitete, berichtet darin, wie sie regelmäßig Spritzen entstorgte und Tabletten weiterreichte. Allein: Einen letztendlich unerschütterlichen Beweis für ihre Aussagen konnte auch sie nicht liefern. Nahezu ähnlich verhält es sich mit Armstrongs Kontakt zu dem juristisch als Doping-Arzt überführten Michele Ferrari: Die Zusammenarbeit mit einem wie Ferrari mag anrüchig sein, ein Beweis für Doping ist sie nicht.

So gesehen lag die Schlinge noch nie enger um den Hals des Texaners als nach den gestrigen Enthüllungen in L’Equipe. Zwar nennt Armstrong die Veröffentlichung „Skandaljournalismus“ sowie „Hexenjagd“ und beteuert, „niemals Dopingmittel genommen“ zu haben. Aber das sind zum einen die Abwehrmechanismen eines jeden Dopingsünders – und können zum anderen die Seriosität der Analysen nicht wirklich in Zweifel ziehen. Das Alter der Proben von fünf Jahren, so Dr. Jacques de Ceaurriz, Leiter des Labors in Chatenay-Malabry, das den aufgetauten Armstrong-Urin untersucht hat, sei jedenfalls kein Problem: „Entweder ist das Epo ganz degradiert und nicht mehr nachweisbar, oder die Proteine sind noch intakt.“ Ganz offensichtlich waren sie noch sehr gut intakt.

Fragen bleiben dennoch, auch dieses Mal. Zum Beispiel jene, wie die positiven Befunde überhaupt Armstrong zugeordnet werden konnten. Normalerweise, so der Mainzer Rechtsanwalt Siegfried Fröhlich, müssten zu späteren Forschungszwecken aufbewahrte Proben anonymisiert werden. Just um solche handelt es sich im vorliegenden Fall, die Proben von 1999 wurden in erster Linie eingefroren, weil es damals noch keinen juristisch abgesicherten Test auf Epo gab.

Weit weniger unklar scheinen derweil die Folgen, die die Angelegenheit für Armstrong nach sich ziehen dürfte. „Da es keine B-Probe gibt, gibt es auch keine Möglichkeit, ihn rechtlich zu belangen“, sagt Sportrechtler Fröhlich. Was bleibt, ist ein großer, schwarzer Fleck auf den bisher so strahlend anmutenden gelben Trikots.