Doping-Avantgardist Lance Armstrong
: KOMMENTAR VON MARKUS VÖLKER

Als Hexenjagd hat Lance Armstrong den jüngsten Dopingvorwurf bezeichnet, als billigen Boulevardjournalismus obendrein. Doch der siebenmalige Tour-Sieger kann es drehen und wenden, wie er will, noch nie waren die Anschuldigungen gegen ihn derart stichhaltig. Ein französisches Labor hat in Urinproben aus dem Jahr 1999 Spuren des Blutdopingmittels Erythropoietin (Epo) gefunden. Die Ergebnisse werden wohl vor keinem Sportgericht verwertbar sein, doch der Imageschaden könnte nicht größer sein – für den US-Amerikaner und den Radsport insgesamt. Denn der bloße Verdacht gegen den Texaner hat sich nun zum Faktum verdichtet.

Die Sportart wird von einer Pandemie heimgesucht, das ist nicht neu. Es wird gedopt wie in kaum einer anderen Sparte, ja, die Avantgarde des Medikamentenmissbrauchs sitzt auf Rädern. In der Szene gilt das Motto: Nur wer auffliegt, hat auch wirklich gedopt. Es überrascht also kaum, wenn ein Profi in das Fahndungsraster der Dopingkontrolleure gerät. Die französische Justiz hatte Armstrong schon länger im Visier. Die Vorwürfe gegen ihn blieben allerdings vage. Bis zuletzt konnte er sich als unbescholtener Profi gerieren, auch wenn es Verbindungen zum Dopingarzt Michele Ferrari gab und Dopinganschuldigungen einer ehemaligen Masseurin für Furore sorgten. Armstrong schien nicht ins Wanken zu geraten, im Gegenteil, der langjährige Prinzipal des Pelotons inszenierte sich selbstgerecht als Saubermann.

Nur wenige haben ihn gemocht, den Technokraten auf dem Rad, der seine Erfolge mit maschineller Präzision erfuhr und dessen Karriere erst zu Ende gehen musste, damit es zur großen Enthüllung kam. Umso größer ist nun die Genugtuung der Radsportfans, dass endlich nennenswerte Beweise auf dem Tisch sind. Am Spiel, das Radsportler mit Dopingfahndern treiben, wird sich dadurch nicht viel ändern.

Man kann Armstrong moralisch anklagen, juristisch kann man es offenbar nicht. Die Tour de France, die Armstrong wie kein Zweiter dominierte, bleibt unter Generalverdacht. Es ist nur der Unachtsamkeit von Fahrern, Zufällen und kriminalistischem Spürsinn geschuldet, dass Doper entlarvt werden. Ein allzu seltenes Szenario.