Theater schon für Babies

Das Helios Theater in Hamm hat das jüngste Publikum in ganz Deutschland. Im September findet dort für Zwei- bis Vierjährige das internationale Theaterfestival und Symposium „first steps“ statt

VON PETER ORTMANN

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Johannes Rau ist immer gut für weise Sprüche, selbst wenn es um ein Theater für die Allerkleinsten geht. „Beim Bau eines Hauses beginnt man aus gutem Grund mit dem Fundament und nicht mit dem Dach“ sagte er 2002 beim KongressForum Bildung in Berlin. Kultur für Kinder hat also gesamtgesellschaftliche Aspekte. „Bei der Heranführung von Kindern an Kultur hinkt Deutschland zehn Jahre hinterher“, sagt Barbara Kölling, die künstlerische Leiterin des Helios Theaters der taz.

Direkt im Bahnhof der Stadt Hamm liegt die Bühne, deren Räume speziell für das allerkleinste Publikum hergerichtet wurden. „Dafür gibt es hier ein Rieseninteresse“, sagt die Theaterfrau, nicht nur weil es ein Alleinstellungsmerkmal der NRW-Kulturregion Hellweg sei, sondern weil die Zwei- bis Vierjährigen an Stadttheatern oft ausgeklammert würden. In Ländern wie Frankreich, Italien und auch in ganz Skandinavien hat sich seit mehr als zehn Jahren diese neue Theatersparte entwickelt. Stücke für das ganz junge Klientel gehören heute zum normalen Spielplan in vielen Theatern unserer Nachbarländer. Hierzulande gibt es nur wenige ernstzunehmende Versuche, Theaterformen für kleinere Kinder zu entwickeln. „Dabei wissen Entwicklungsforscher längst, wie entscheidend die ersten Lebensjahre für die Entwicklung des Kindes sind“, sagt Barbara Kölling. Bereits so früh an Kunst und Theater-Kultur jenseits von Kasperle und Teletubbies gewöhnt zu werden, führe zu einem ganz anderen Lernen – später. Die Stücke verzichten meist ganz auf Sprache, nutzen Farben und Formen für ihre Geschichten über Wasser und Erde oder den Anfang der Welt und viel Musik. Alles in kleinen Gruppen. Das Theater orientiere sich dabei am Erfahrungswert der Kinder. „Kein bisschen Albernheit ist da nötig“, sagt Kölling und auch kein besonderer pädagogischer Ansatz. Bei einigen spezialisierten Gruppen aus dem Ausland können die Kleinen während der Vorführung sogar auf die Bühne. Für sie sei ja bereits ein Scheinwerfer oft eine spannende Sache.

Im September findet nun sogar das internationale Festival „first steps“ statt. Das Konzept stammt von Barbara Kölling und Michael Lurse, den beiden künstlerischen Leitern des Helios-Theaters. Mit dem französischen Regisseur Laurent Dupont entstand im Haus die Theaterproduktion „Erde, Stock und Stein“, die sich bereits an alle Menschen ab zwei Jahren richtet. Aus Norwegen kommt Bibbi Winberg mit „Wispering Space“ ins Helios-Theater. Bereits 1998 nahm sie an einem Projekt des Kultusministeriums in Oslo teil, das sich mit dem Thema Kunst für Kinder unter drei Jahren beschäftigt hat. Die Französin Agnès Desfosses zeigt mit der Compagnie Acta, die in einem Randbezirk von Paris angesiedelt ist, das Stück „Sous la table“ (Unter dem Tisch). Die auf Kinder von eineinhalb bis dreieinhalb Jahren zugeschnittene Produktion wurde in Frankreich mehr als 300 Mal in Krabbelstuben und Kindergärten aufgeführt.

Doch was treibt Künstler von anerkannter Qualität dazu, sich mit dem jüngsten Publikum auseinander zusetzen und wie sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen? Damit beschäftigt sich das Symposium „Theater für die Allerkleinsten“, bei dem Inszenierungsgespräche mit den beteiligten AkteurInnen, RegisseurInnen und ChoreographInnen und Situationsberichte aus Norwegen und Frankreich diese Fragen beantworten helfen.

14. bis 25. September 2005Infos: 02381-926837