Studierende hängen am Tropf

Die Zahl der Bafög-Empfänger steigt in NRW dramatisch an – bei sinkenden Studierendenzahlen. Nun streiten SPD und CDU, wer für die Hilfebedürftigen bei Studiengebühren aufkommen wird

VON HOLGER PAULER

Die Studierenden in Nordrhein-Westfalen werden ärmer. „Immer mehr Studenten sind auf die Förderung durch das BAföG angewiesen“, sagte Petra Karst vom Studentenwerk der Universität Duisburg Essen. Die Zahl der BAföG-Empfänger stieg dort um knapp 20 Prozent von 6.451 im Jahr 2003 auf 7.630 im Jahr 2004. Damit lag die Universität noch über dem Landesschnitt. Landesweit stieg die Zahl der BAföG-Empfänger um 4,5 Prozent auf 101.300, die Zahl der Studierenden in NRW nahm laut Landesamt für Statistik gleichzeitig um 12,1 Prozent auf 458.300 ab.

Auch die gesteigerte Aufklärung in Sachen BAföG habe nach Angaben der Studentenwerke zum Anstieg beigetragen. „Viele Studierende wissen immer noch nicht, dass sie ein Anrecht auf eine finanzielle Förderung haben“, sagte Karst, doch gerade jetzt, wo die Angebote für Studentenjobs immer schlechter werden, suchten die Studierenden nach anderen Einkommensmöglichkeiten. Die vergleichsweise hohen Zahlen an der Universität Duisburg-Essen begründet Petra Karst mit den sozialen Problemen im Ruhrgebiet. „Die Familien haben zu wenig Geld, um ihre Kinder zu unterstützen.“ An der Universität Aachen gab es im Vergleichszeitraum einen Anstieg um acht Prozent.

„Wir rechnen damit, dass nach der landesweiten Einführung der Studiengebühren im Jahr 2007 der Anteil der BAföG-Empfänger noch weiter steigen wird, da diese von den Gebühren wohl befreit werden“, sagte Manfred Bürgerhausen vom Studentenwerk der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Momentan werde die Ausbildungsförderung von 20 Prozent der BAföG-Berechtigten nicht in Anspruch genommen – aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit. Die Tatsache, dass die Förderung in Zukunft zu hundert Prozent zurück gezahlt werden soll – statt wie bisher 50 Prozent – werde daran nichts ändern. „In Österreich gab es nach Einführung des Volldarlehens einen kurzfristigen Einbruch bei den BAföG-Empfängern“, so Bürgerhausen, später habe sich die Sache aber wieder normalisiert.

Das Thema BAföG soll in den nächsten Monaten auch im Düsseldorfer Landtag eine Rolle spielen. „Wir werden das Thema plenar ansprechen“, sagte Arturo de la Vega, Referent für Hochschulpolitik in der NRW-SPD. Grundsätzlich sei es richtig, das Studium über das BAföG zu finanzieren. Seit 1998 hat der Bund die Ausgaben für die Studienförderung verdoppelt. „Eine CDU-geführte Bundesregierung wird das BAföG langsam abschaffen“, so de la Vega. Ziel sei es, die Finanzierung auf einen Vollkredit umzustellen. Teile der CDU hätten dies bereits offen angesprochen. „Jürgen Rüttgers wollte bereits im Jahr 1996 das bisherige Modell kippen“, sagte de la Vega. Momentan verhalte sich der Ministerpräsident allerdings verdächtig ruhig.

Im Vorfeld der NRW-Landtagswahl 2005 hatte der Generalsekretär der NRW-CDU, Jochen Reck betont, dass seine Partei das BAföG beibehalten wolle. Außerdem wurde in der Koalitionsvereinbarung der schwarz-gelben Landesregierung festgelegt, dass BAföG-Empfänger von den Studiengebühren verschont bleiben. „Wir stehen auch noch dazu“, sagt Ralf-Michael Weimar, Sprecher des liberalen Innovationsministeriums, „wir wissen allerdings noch nicht genau, wie die Regelung bei Einführung der Gebühren im Jahr 2007 aussehen wird.“ Das Ministerium begrüße jedenfalls die steigende Zahl der BAföG-Empfänger – seit 2000 kamen knapp 30.000 hinzu. Die Zukunft des BAföGs liege aber letztendlich in Bundeshand, so Weimar.

Ob die neue Landesregierung die Befreiung der BAföG-Empfänger tatsächlich auch so umsetzen wird, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, bezweifelt die Opposition. „Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) hat das Thema zuletzt nicht mehr angesprochen“, sagte Arturo de la Vega von der SPD. Er befürchtet, dass Schwarz-Gelb die BAföG-Empfänger bluten lassen wird: „Bei einem Zinssatz von 5,5 bis 9,5 Prozent für das Volldarlehen, plus Studiengebühren haben die Studierenden am Ende des Studiums eine Verschuldung von 50.000 Euro.“ Die Zahl der BAföG-Empfänger könne dann wieder drastisch sinken.