Prothese fürs Beten

Bürgerschaftsanhörung zur Elbphilharmonie: Akustik und Betriebskosten sind kaum kalkulierbar. Architekt Marg rät beim Skywalk zur Vorsicht

„Für das Orchester ist der Saal das Instrument“: von Dohnanyi

Von Gernot Knödler

Für das Projekt Elbphilharmonie brauchen Senat und Bürgerschaft den Mut zum Risiko. Mag die geplante Konzerthalle auf dem Kaispeicher A noch so gut konzipiert werden, Themen wie die Akustik oder die Betriebskosten bleiben schwer kalkulierbar. Das hat eine Anhörung von Experten ergeben, die den Abgeordneten der Bürgerschaft am Dienstagabend fünf Stunden lang Rede und Antwort standen.

Zum Problem, eine erstklassige Akustik herzustellen, sagte der Dirigent des NDR-Symphonieorchesters, Christoph von Dohnanyi: „Da muss man beten.“ Auch ein Spitzen-Akustiker wie Yasushi Toyota garantiere keinen Erfolg. Da waren sich die Experten einig. Dohnanyi gab jedoch zu bedenken, dass ein überwältigender Raum beim Erleben der Musik Defizite in der Akustik ausgleichen könne.

Ein guter neuer Saal würde nach seiner Überzeugung die Orchester beflügeln. „Für das Orchester ist der Saal das Instrument“, sagte der Dirigent. Überdies sei die Laeiszhalle zwar schön, in ihren Möglichkeiten aber zu begrenzt für viele Werke.

Ein Weltklasse-Orchester als Heimorchester und damit eine erhöhte Förderung sei für den geplanten Weltklasse-Saal nicht nötig, fand Klaus Jacobs, Geschäftsführer der Carnegie Hall in New York. Benedikt Stampa, der Noch-Geschäftsführer der Laeiszhalle, prognostizierte, die Hamburger Orchester würden sich verändern, weil jedes gezwungen sein werde, sich mit einem passenden Programm auf einen Saal zu spezialisieren.

Der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr wurde auch ohne eigene U-Bahnstation für die Philharmonie für unproblematisch erklärt. Hadag-Fähren könnten auf ihrem Weg zum Magdeburger Hafen direkt an der Philharmonie halten. Die Hochbahn-Station Baumwall liege in vertretbarer Distanz. Der Architekt Volkwin Marg riet bei den Plänen, einen spektakulären Fußweg vom Baumwall zum Konzerthaus („Skywalk“) zu bauen, zur Vorsicht. Eine solche „Fußgängerprothese“ stifte möglicherweise mehr Schaden am Stadtbild als Nutzen.

Oberbaudirektor Jörn Walter und der Architekt Kees Christiaanse sahen auch beim Autoverkehr kein Problem. Die Pkws aus dem rund 750 Plätze fassenden Parkhaus im ehemaligen Speicher könnten ohne große Staus nach Norden aus der Hafencity hinausfahren und ohne das Wohngebiet auf dem Dalmannkai zu beeinträchtigen.

Projektleiter Hartmut Wegener verteidigte den ermittelten Kostenrahmen für den Bau der Philharmonie. Zuvor hatte Marg gewarnt, in einem so frühen Stadium seien die Baukosten nur sehr grob zu beziffern. Seine Realisierungsgesellschaft habe Pläne so weit vorangetrieben, dass die Kosten seriös auf 186 Millionen Euro geschätzt werden könnten, beharrte Wegener. Diese Summe könne sich allenfalls um zehn Prozent erhöhen. Die geplante Quersubventionierung des Konzerthauses durch den Bau von Wohnungen sowie eines Hotels durch private Projektpartner sei realistisch kalkuliert, sagte Frank Billand von der Deutschen Immobilienfonds AG.

Schwerer sind die Betriebskosten und der Publikumszuspruch zu kalkulieren, wie die Befragung der Konzerthallen-Geschäftsführer ergab. Es werde möglicherweise viele Jahre dauern, das Publikum an die Halle heranzuführen und einen hohen Auslastungsgrad zu erreichen.