Lagerfeuerromantik des Widerstands

Studierende aus ganz Deutschland campen eine Woche lang in Heiligensee und diskutieren über Protestformen

Schmucke Einfamilienhäuser säumen die Straßen zwischen dem Tegeler Forst und dem Ufer des Heiligensees. Die Welt scheint in Ordnung im hohen Norden Berlins. Die gelben Plakate an einigen Laternenpfählen fallen in einer solchen Umgebung besonders auf. Die zwei Palmen darauf vermitteln den Eindruck, hier würde zu einer Stranddisco eingeladen. Erst auf dem zweiten Blick liest man, dass hier der Weg zum „bundesweiten Summercamp of Resistance“ gewiesen werden soll.

Mitten in dieser Idylle zelten seit Montag etwa 80 Studierende aus dem ganzen Land. Sie diskutieren darüber, wie die jüngsten Proteste an Schulen und Universitäten gegen Kürzungen in der Bildungspolitik „auf den breiteren gesamtgesellschaftlichen Kontext ausgeweitet werden können“, wie es auf der Website der Organisatoren heißt.

Entsprechende umfangreich und weit gefächert präsentiert sich das – selbst organisierte – Programm für die Campwoche, die noch bis Samstag dauert: Die Themenpalette reicht von Rechtshilfeinformationen über einen Vortrag zu rechten Traditionen bei der Bundeswehr bis zu geplanten Protestaktionen gegen die Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr. Den im engeren Sinne hochschulpolitischen Themen widmen sich Veranstaltungen und Workshops zum neoliberalen Umbau der Hochschulen, der Rolle des Bertelsmann-Konzerns in der Hochschulpolitik und dem Widerstand gegen Elitebildung.

Doch ausgerechnet die Beteiligung aus Berlin ist mau, wie Kommilitonen aus Wuppertal, Köln, Bochum und Dortmund enttäuscht feststellen mussten. Der Grund: Die jüngste Welle von Studentenprotesten ist gerade zwei Semester vorbei. Da ist es schwer, die Hauptstadtstudierenden mitten im Sommer zum Campen nach Heiligensee zu locken, räumen Mitglieder der Vorbereitungsgruppe ein.

Die AktivistInnen aus Nordrhein-Westfalen haben schon Erfahrung mit dem Protestcampen. Unmittelbar nach dem dortigen Wahlerfolg der CDU wurden an mehreren Hochschulen des Bundeslandes mitten auf dem Campus die Zelte aufgebaut. „Wir wollten gegenüber der neuen Regierung ein Signal setzen, dass mit uns die im Wahlkampf angekündigten Studiengebühren nicht so ohne weiteres durchzusetzen sind“, erklärten Bochumer AktivistInnen. Jetzt wollen sie ihre Erfahrungen anderen Studierenden vermitteln und sich vernetzen.

Die PolitcamperInnen planen außerdem, aktiv in den aktuellen Wahlkampf einzugreifen. Die KandidatInnen nicht nur der Oppositionsparteien sollen bei ihren Auftritten mit den studentischen Forderungen konfrontiert werden.

Zum Abschluss wird am Samstagnachmittag eine Demonstration vom U-Bahnhof Yorckstraße durch Kreuzberg ziehen. Deren Motto „Das Leben ist kein Ponyhof“ hat bei allen lustigen Assoziationen einen ernsten Hintergrund. Es erinnert an die vergeblichen Versuche, das Protestcamp auf dem Mariannenplatz im Zentrums Kreuzbergs zu organisieren. Nach wochenlangen Verhandlungen mit dem Bezirksamt hieß es, dass der Platz schon anderweitig vergeben sei. Den ProtestcamperInnen wurde ein Ponyhof am Rande von Kreuzberg als Ausweichquartier offeriert. Da entschied sich die Vorbereitungsgruppe lieber für Heiligensee.

Inzwischen arbeiten einige CamperInnen bereits an ihrem Andenken für die Nachwelt. „Der Summer of Resistance darf nicht so schnell vergessen werden, weshalb ein Objekt hinterlassen wird. Das ‚Denkmal‘ soll oder kann ein Ort zum Nachdenken sein oder anregen“, heißt es etwas kryptisch in dem Programm. Zumindest die Gegend um den Heiligensee könnte ein solches Nachdenkmal nur gut tun. Peter Nowak

Infos zum Camp unter: www.summerofresistance.de