Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Mit der perfekten Autofahrer-CD durchs Fantasialand
Nein, es ist nicht die Playlist der Samplerreihe „Gestatten, wir kommen aus Hamburg“, die zwischen 2006 und 2008 alles – sagen wir: fast alles – versammelte, was zwischen den Goldenen Zitronen und Revolverheld in der Stadt so herummusiziert. Diese „perfekte Autofahrer-CD“ lässt „von Hamburgs Flair träumen“ und „[e]s ist tatsächlich absolut erstaunlich, wie viele tolle Künstler Hamburg hervorbrachte und noch immer hervorbringen wird. Es ist wirklich grandios, die Vielfalt der ‚neuen‘ künftigen Stars bereits jetzt schon auf einer CD präsentiert zu bekommen“, so formulierten es begeisterte Hörer/innen auf einem Internetportal.
Es handelt sich auch nicht um die Unterschriftenliste des Manifests „Not In Our Name, Marke Hamburg“, in welchem zum Teil dieselben Kulturschaffenden 2011 die örtliche Standortpolitik, deren Verwertungslogik und die Propaganda von einem „widerspruchfreie[n], sozial befriedete[n] Fantasialand“ namens Hamburg angriffen. „Angriffen“, so muss man es wohl nennen.
Tatsächlich gehört die Namensliste zu einer vorgestern veröffentlichten Erklärung in Sachen Otzenbunker. In dieser wird zum einen die Lärmschutzsanierung des von einer Vielzahl an Bands genutzten und jüngst geschlossenen Gebäudes gefordert. Zum anderen wird allgemein die Stadt dazu aufgerufen, die herrschende Proberaummisere zu lösen.
Das ist natürlich gut. Und es ist der Erklärung wohl auch kaum vorzuwerfen, dass sie hierbei die besondere Bedeutung von (Pop-)Kultur hervorhebt. Selbst das Wedeln mit der Standortlogik gehört zum Spiel. Aber wahr ist auch: Es kommt auf die Details an.
Und hier stellt sich die Erklärung dann doch und ganz ohne Not in die denkbar biederste Ecke, wenn es heißt: „Ohne Nachwuchsmusiker*innen, die sich uneingeschränkt ausprobieren können, wird es in dieser Stadt keine neuen und herausragenden Musiker*innen mehr geben. Dann spielt die Musik der Zukunft in Berlin, Leipzig und anderswo – aber ganz sicher nicht mehr in Hamburg.“
Wer immer sie dann spielt: Hoffentlich haben die anstehenden weiteren Aktionen in dieser Sache weniger den Sound der CD als den Sound des Manifests.
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