„Wüste für Verbraucher, Steinzeit für Bauern“

Alle Parteien lassen die Bürger im Stich, wenn es um die Qualität beim Essen geht, kritisiert Thilo Bode von Foodwatch

BERLIN taz ■ Wer zur Verbraucherorganisation Foodwatch in Berlin-Mitte fährt, dem lächelt mehrmals Renate Künast vom Wahlplakat der Grünen zu. „Verbraucherschutz ist wählbar“ steht darunter. Foodwatch-Chef Thilo Bode sieht das anders. Er zog gestern eine Bilanz rot-grüner Regierungspolitik und behauptet: „Robben sind besser geschützt als Verbraucher.“

Als die BSE-Krise im Jahre 2000 das Land erschütterte, verloren die Bürger das Vertrauen in die konventionelle Landwirtschaft. Die Politik entdeckte den Verbraucherschutz. Künast löste Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke ab. Sie kämpfte für Ökoessen und für ehrliche Preise. Heute reklamiert sie für sich, die Republik modernisiert zu haben. Viele geben ihr Recht. Thilo Bode findet hingegen, sie habe drei große Fehler gemacht.

Fehler 1: Künast wetterte gegen Schnäppchenjäger. „Im Verbraucherministerium hat eine solche Kampagne aber nichts zu suchen“, sagt Bode. Es sei moralisch nicht verwerflich, billig einzukaufen. Fehler 2: Verbraucher- und Agrarpolitik wurden in ein Ministerium gepackt – haben laut Bode aber nichts miteinander zu tun. „Bauern wollen für ihre Produkte viel Geld, Käufer lieber wenig zahlen.“ Letzter Fehler: Die Agrarwende von Künast erschöpft sich darin, Ökoäcker zu fördern. Dabei hätten auch die konventionellen Bauern ökologisiert werden müssen, findet Bode. Durch Auflagen für Dünger und Pestizide etwa.

Thilo Bode hört gar nicht wieder auf zu schimpfen. Besserung sei nicht in Sicht, meint er. Egal ob Rot, Grün, Schwarz, Gelb – die Parteien beschäftigten sich in den Wahlprogrammen kaum mit Bauern und Verbrauchern. Bode: „Wir kriegen eine verbraucherpolitische Wüste und eine landwirtschaftliche Steinzeit.“

Mit Verbraucherpolitik lässt sich nicht mehr punkten. Haben die Lobbyisten selbst einen schlechten Job gemacht? Bode weist jede Schuld von sich. Der ehemalige Greenpeace-Chef hat Foodwatch vor drei Jahren gegründet. Die Bewegung der Verbraucher sei noch jung, sagt er. Lange habe es nur die Verbraucherzentralen der Länder gegeben. Weil die aber auf staatliche Zuschüsse angewiesen seien, hätten sie nicht in den Politikbetrieb eingegriffen.

Sie haben wohl auch eine andere Meinung. Der Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Carel Mohn, sagt zu Bodes Regierungsschelte zwar nur: „Etwas überzogen ist sie.“ Dann fügt er aber hinzu, dass ein Verbraucherschützer den anderen nicht kritisiere.

Dabei sind einige Foodwatch-Forderungen zweifelhaft, da sie politisch gar nicht durchzusetzen sind. So sollen die Subventionen für Bauern wegfallen. Die milliardenschweren Agrartöpfe könnten das Höfesterben ohnehin nicht eindämmen, sagt Bode. Auch das Agrarministerium soll abgeschafft werden. Das Künast-Ministerium nahm gestern keine Stellung. HANNA GERSMANN