Hat Relotius Spenden veruntreut?

Der frühere „Spiegel“-Redakteur soll Spendengelder von Lesern angenommen haben

Gegen Claas Relotius stehen strafrechtliche Ermittlungen wegen der Veruntreuung von Spendengeldern im Raum. Wie Spiegel Online am Wochenende berichtete, soll Relotius von seinem privaten E-Mail-Konto Spendenaufrufe an LeserInnen geschickt haben, um angeblich Waisenkindern in der Türkei zu helfen. Das hätten LeserInnen dem Magazin mitgeteilt. Das Geld sollte demnach auf Relotius’Privatkonto überwiesen werden.

„Wie viele Spender sich auf diesen Aufruf meldeten, wie viel Geld schließlich zusammenkam und was mit diesem Geld passierte, ist derzeit noch nicht klar“, heißt es auf Spiegel Online. Der Redaktion sei von der Spendensammlung nichts bekannt gewesen. Alle gesammelten Informationen würden der Staatsanwaltschaft „im Rahmen einer Strafanzeige“ zur Verfügung gestellt.

Der Spendenaufruf stehe im Zusammenhang mit dem Relotius-Beitrag „Königskinder“ über ein syrisches Geschwisterpaar, das in der Türkei auf der Straße lebe. Der Text war am 9. Juli 2016 im Spiegel erschienen. Dessen Richtigkeit werde inzwischen in Zweifel gezogen, hieß es.

Der Spiegel hatte am vergangenen Mittwoch offengelegt, dass Relotius in großem Umfang eigene Geschichten manipuliert hat. Er habe die Fälschungen nach internen Nachforschungen zugegeben und das Haus verlassen.

Wie Zeit Online berichtete, hätte Relotius allerdings schon viel früher auffliegen können, wenn seine Vorgesetzten auf hausinterne Einwände gehört hätten. So seien Redakteuren von Spiegel TV im ersten Halbjahr 2017 massive Widersprüche in einer Reportage von Relotius aus dem Nordirak aufgefallen. Die Fernsehkollegen hätten ihre Rechercheergebnisse bei Relotius’Vorgesetzten vorgetragen. Es blieb ohne Folgen.

Unterdessen warf der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, dem Magazin einen antiamerikanischen Kurs vor, der den Betrug von Relotius begünstigt habe. „Es ist eindeutig, dass wir Opfer einer Kampagne institutioneller Voreingenommenheit wurden“, schrieb Grenell an die Chefredaktion in einem Brief, den der Spiegel öffentlich machte. Der stellvertretende Chefredakteur, Dirk Kurbjuweit, erwiderte: „Wir entschuldigen uns bei allen amerikanischen Bürgern“, die durch die Reportagen von Relotius beleidigt und verunglimpft worden seien. Den Vorwurf der Voreingenommenheit wies er zurück. (epd)