Jörn Kabisch Angezapft: Bier auf Wein?Das ist fein
Meine fortwährende Suche nach einem Bier als Essensbegleiter hat mich zu einem speziellen Gemisch geführt: Weinbier. Reinheitsfanatiker bekommen Pelz auf den Zähnen. Warum zum Bacchus sollte man die zwei Welten der alkoholischen Gärung durcheinanderwerfen. Es kann nur einen Grund geben: Weil es schmeckt.
In den USA wird schon seit einigen Jahren mit Wein-Bier-Hybriden experimentiert, hierzulande steckt die Disziplin noch in den Anfängen. Streng genommen handelt es sich um ein Fruchtbier, wie es vor allem in Belgien eine lange Tradition hat. Kriek oder Lambic wird dort klassisch unter Zusatz von Kirschsaft gebraut, es gibt aber auch Varianten mit Mango, Pfirsich, Grapefruit oder Zitrone. Warum also nicht auch mal Trauben? Wichtig dabei ist aber: Wein und Bier werden nicht einfach vermischt, sondern Most und Würze miteinander vermengt, bevor es in die Gärung geht.
Dominik Pietsch und Joachim Amrhein sind zwei noch junge Vögel in der Bierszene. Sie haben 2017 ihre Brauerei in Frankfurt am Main aufgemacht, und nicht nur, weil sie so neu sind, den Namen „Flügge“ ausgewählt. Immer wieder erste Flüge zu wagen ist das Konzept, das Ergebnis sind experimentierfreudige, wilde Biere. Pietsch und Amrhein brauen mit alten Bauernhefen, geben Früchte ins Bier, arbeiten mit ungewöhnlichen Malzen. Passend zum Namen zieren Vogel-Pastelle ihre Etiketten.
Ihr Hybrid heißt Sieke & Ole. Grundlage ist ein leichter Sud, wie er auch für Sauerbier nach Berliner-Weiße-Art angerührt wird. Das ist schon ein Hinweis: Malz wird es kaum im Geschmacksbild geben. Als Wein hat das Flügge-Duo einen sogenannten Orange gegeben. Dafür wird der Most einige Zeit auf der Maische aus den Traubenschalen stehen gelassen. Das gibt Weißwein eine tiefere Farbe. Außerdem werden mehr Tannine extrahiert, was ihn etwas schwerer schmecken lässt.
Ich schenke den Hybrid gleich in ein Weinglas – eine gute Wahl. Es schäumt ein bisschen, dann präsentiert sich, was man als Naturwein identifizieren würde: trübes Goldgelb, aus dem es leicht perlt. Nach dem Bierigen muss ich lange suchen. Es steckt nicht im Geruch: etwas pfeffrig, dezenter Rosmarin, sehr weinig. Und auch nicht auf der Zunge: trocken, ebenfalls pfeffrig, ein wenig an Ananas erinnernd, aber sauer wie eine Berliner Weiße. Erst hintenraus kommt es – mit einer leichten Bitterkeit am Gaumen.
Sieke & Ole, Brauerei Flügge,
8 % vol.
Zum Essen passt das. Ich bekomme sofort Appetit auf Spargel. Erst einmal liegen aber zwei Fläschchen für einen anderen Anlass im Keller. Ich lasse sie an Silvester ploppen.
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