die woche in berlin
:

Verkehrssenatorin Regine Günther schmeißt ihren besten Mann raus, der Sportdirektor von Germania Halberstadt findet Bestechungsversuche witzig, die Regierungskoalition verteilt fleißig Geld und im OP-Saal der Charité wird gegrapscht.

In jeder Hinsicht ein Desaster

Verkehrssenatorin entlässt Kirchner

Natürlich müssen Chefs sich von Mitarbeitern trennen können und Chefinnen genauso. Wenn’s nicht mehr rundläuft, wenn das größere Ganze in Gefahr ist, weil sich die Spitze eines Unternehmens oder einer Partei blockiert, dann muss einer oder eine gehen. Das war diese Woche bei Gesundheitssenatorin Dilek Kolat so, die sich von ihrem Staatssekretär trennte, weil es nicht mehr harmonierte, wie Regierungschef Michael Müller (alle SPD) mehr als andeutete.

Rauswürfe müssen eben grundsätzlich einen Sinn haben: eine Blockade lösen, schlechte Stimmung vertreiben, mehr Kompetenz in einen Laden bringen. Der zweite Staatssekretärs-Rauswurf dieser Woche aber hat nichts davon. Dass die parteilose, von den Grünen getragene Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther ihren Staatssekretär Jens-Holger Kirchner entlässt, ist weder fachlich noch persönlich nachvollziehbar.

Günther begründet die Ablösung des seit Monaten an Krebs erkrankten, inzwischen operierten und behandelten Kirchner damit, dass der immens wichtige Verkehrsbereich nicht noch länger vakant sein soll. Das kann man so sehen, auch wenn es eine äußerst harte Abwägung ist. Die Grünen samt ihrer Verkehrssenatorin stehen extrem unter Druck, das ohnehin später als geplant beschlossene Mobilitätsgesetz so schnell wie möglich in viele sichere Radwege umzusetzen.

Doch was hilft es dabei, wenn Günther für die Neubesetzung des Postens auf einen Biologen setzt, der, zumindest nach dem, was bisher über ihn bekannt ist, von Verkehr wenig Ahnung hat? Statt eines solchen Wechsels hätte Günther auch noch einige Monate mehr warten können, bis Kirchner wieder arbeitet, was sein Arzt zum Gesundwerden dringend empfiehlt.

Und dann ist da der Termin des Rauswurfs: Weniger als drei Wochen vor Weihnachten schmeißt man grundsätzlich keinen raus, da muss man weder Christsozialer sein noch der AG Christinnen bei den Grünen angehören. Was ebenso wenig geht, ist, sich kurz nach einer solchen Personalentscheidung nicht im Verkehrsausschuss des Parlaments blicken zu lassen. Und falls ein dringender Termin das verhinderte, hätte die Senatorin den Rauswurf eben verschieben müssen.

Im Ergebnis bleibt vor allem eins: ein menschliches wie politisches Armutszeugnis einer Senatorin, die von Anfang an als Klimaexpertin nicht die Richtige für das zentrale Thema ihrer Senatsverwaltung war, den Verkehr in der Stadt. Das allerdings haben auch die Grünen zu verantworten, die sich Ende 2016 bei der Auswahl ihrer Senatsmitglieder sklavisch an die grüne Quotierung hielten, nach der unbedingt eine Frau auf den Posten musste – und nicht der bestqualifizierte Mann: Kirchner. Stefan Alberti

Ein menschliches wie politisches Armutszeugnis für die Senatorin

Stefan Alberti über den Rausschmiss von Staatssekretär Kirchner

Der Jux ist zurück im Fußball

SV Babelsberg erhebt Bestechungsvorwurf

Das Wort Jux ist ein schöner, wenngleich etwas altmodischer Begriff. Der Duden nennt Synonyme wie Schabernack, Schelmenstreich, oder, besonders hübsch: Hanswurstiade. Dass diese im Fußballgeschäft Konjunktur hatte, dürfte eine Weile her sein. Jetzt ist sie zurück: in einer bizarren Geschichte über einen Manipulationsversuch bei einem Regionalligaspiel.

Folgendes ist mittlerweile sicher: Vor dem Spiel des SV Babelsberg gegen Germania Halberstadt am vorvergangenen Freitag hat Andreas Petersen, Sportdirektor des Gegners aus Halberstadt und Vater des aktuellen Bundesligaspielers Nils Petersen, zwei Babelsberger Spieler angerufen. Beide kickten früher für Halberstadt. Die beiden Spieler sagen, Petersen habe sie überreden wollen, beim Spiel die „Füße hochzulegen“. Insgesamt 12.000 Euro soll er ihnen dafür geboten haben. Die Babelsberger meldeten den Vorfall, längst nicht selbstverständlich, und der Verband ermittelt. Petersens eigene Version klingt etwas anders: Die Spieler würden eine Schmutzkampagne ­gegen ihn fahren, weil sie in Halberstadt seinerzeit so wenig gespielt hätten. Den Anruf leugnete er nicht. Er sagte: „Man will den Gegner etwas locken, etwas verunsichern. Ein Jux.“ Das sei ganz üblich.

Petersens Behauptung, so etwas sei üblich, macht die Sache eigentlich noch krasser. Wenn er solchen Jux wirklich regelmäßig treiben sollte, muss man sich fragen, was im Amateurfußball eigentlich schiefläuft. Dass ein Verband überhaupt wegen Manipulation in der Regionalliga Nordost ermitteln muss, ist schon kurios genug. Im Grunde, natürlich, folgt das nur der Logik des Geschäfts: Wenn Deutschland sich eine WM kaufen kann und Katar sowieso, wenn Wettpaten Spiele kaufen können wie im Fall des Berliner Ex-Schiris Robert Hoyzer, wenn schon in den Bezirksligen teilweise Ablösesummen gezahlt werden, dann ist Bestechung in der Regionalliga nur folgerichtig.

Trotzdem bleibt der Vorfall rätselhaft. Germania Halberstadt steht zwar aktuell kurz vor den Abstiegsrängen, aber die Saison ist nicht mal in der Rückrunde angekommen und das Spiel gegen Babelsberg eine x-beliebige Partie. Mutmaßlich 12.000 Euro dafür blechen zu wollen ist eigentlich kreuzdumm. Es sei denn, es ginge um Wetten. Oder wirklich um Provokation. Auch das wäre traurig. Es sagt viel über das Geschäft, welche Art von Jux man treibt. Alina Schwermer

Wirtschafts-kompetenz ist links

Rot-Rot-Grün investiert seine Überschüsse

Statt rechter Marktideologie regiert linke Kompetenz

In Zeiten, in denen Berlin Jahr für Jahr mehr Schulden anhäufte, waren es die BürgerInnen, die zahlen mussten: für höhere Gebühren etwa, die ehemals landeseigene, dann aber privatisierte Unternehmen von ihnen verlangten. Für eine kaputt gesparte Infrastruktur oder für städtische Unternehmungen, die bei ausgedünnter Leistung ständig die Preise erhöhten – ob in Kitas, der BVG oder den Schwimmbädern.

Nun, wo Berlin jährlich mehr erwirtschaftet, als es ausgibt, könnte man natürlich weiterhin Politik auf Kosten der BürgerInnen machen. Nicht wenige starke Stimmen, je wirtschaftsliberaler, desto lauter, wollen genau das: „Schulden zurückzahlen“ lautet ihr Mantra, hübsch verpackt in das Alibi, man wolle die nachfolgenden Generatio­nen entlasten.

Wenn es nach ihnen geht, sollen die BürgerInnen, die den neoliberalen Wahnsinn über sich ergehen lassen müssen, weiterhin entbehren. Immer nach dem Motto: Es ist zu viel Geld da, als dass ihr davon profitieren könntet.

Statt rechter Marktideologie regiert in Berlin aber zum Glück linke Wirtschaftskompetenz. Und die gebietet, nicht all die schönen Überschüsse – es sind allein zwei Milliarden im Jahr 2018 – im Schuldenloch zu versenken. Mit einer Milliarde fällt der Versenkungsposten zwar immer noch zu groß aus – dafür, dass bei neuer Schuldenaufnahme kaum Zinsen fällig werden. 1,2 Milliarden Euro aber bleiben, die Rot-Rot-Grün im Rahmen eines Nachtragshaushalts für die Jahre 2018 und 2019 verteilt – mit beachtlichen Ergebnissen.

Gratis-Mittagessen in Grundschulen und ein kostenloses Schülerticket werden Familien ab dem kommenden Jahr deutlich entlasten. Als Zeichen dafür, dass es ein Recht auf Bildung und Mobilität geben sollte, sind sie nicht geringzuschätzen. Zusätzliches Geld für die Sanierung von Spielplätzen und die Instandhaltung von Grünanlagen kann die Stadt lebenswerter machen.

Das gilt auch für die Aufstockung der Mittel zum Ankauf von Grundstücken oder dem Ausüben des Vorkaufsrechts. Direkte Zuwendungen an die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die Bäderbetriebe, die Charité und Vivantes, zusätzliche Stellen in den Senatsverwaltungen und den Bezirken, Geld für die Beschaffung von S-Bahn-Fahrzeugen und 300 Millionen Euro, die für die Digitalisierung der Verwaltung reserviert werden, schaffen Spielräume für die Zukunft. Und wann sollen diese sonst erschlossen werden, wenn nicht jetzt, wo einmal Geld da ist?

Erik Peter

Sexistische Götter in Weiß

Aktionen gegen Sexismus an der Charité

Über 60 Prozent der Medizin-Absolvent*innen in Deutschland sind heute weiblich, ebenso fast 50 Prozent der praktizierenden Ärzt*innen – Tendenz steigend. Im Pflegebereich machen sie sogar rund 80 Prozent aus. Das Fach, in dem die ersten weiblichen Studierenden im 18. Jahrhundert promovierten, war, na klar: Medizin. Ein Fach und Arbeitsumfeld also, in dem sich Frauen wohlfühlen sollten, möchte man meinen.

Trotzdem ist gerade hier der Arbeitsalltag von Sexismus geprägt. Das zeigte diese Woche eine Aktion von Studierenden der Charité. Auf einer Onlineplattform haben die Gruppen Medical Students for Choice und Kritische Mediziner*innen seit Sommer rund 200 Beiträge gesammelt, die vor Frauenfeindlichkeit und Herabwürdigung nur so triefen. Betroffene konnten auf der Plattform selbst dar­über schreiben. Unter den Beiträgen befinden sich Berichte von grapschenden Chefärzten und Studentinnen, denen eine Karriere nicht zugetraut wird, ganz einfach, weil sie Frauen sind.

Im Zuge einer dazugehörigen Aktionswoche präsentierte die Gleichstellungsbeauftragte der Charité, Christine Kurmeyer, am Montag wissenschaftliche Zahlen: 76 Prozent der befragten Frauen und 62 Prozent der Männer geben an, während ihrer Tätigkeit an der Charité schon sexuell belästigt worden zu sein. Das ist eindeutig häufiger als in anderen Berufen: In einer Befragung aus dem Jahr 2014 gab rund die Hälfte der Deutschen an, dass ihnen das am Arbeitsplatz schon passiert ist.

Warum also geht es an der Charité, aber auch an anderen Kliniken hierzulande, so diskriminierend zu? Die Gleichstellungsbeauftragte nennt verschiedene Gründe: die starken Hierarchien in den Krankenhäusern mit meist männlichen Chefärzten ganz oben; aber auch die ständigen Ausnahmesituationen im OP-Saal, die manch einer als Entschuldigung für sexistische Grenzüberschreitungen benutzt.

Dass sich die Charité jetzt offiziell mit Sexismus und seinen Rahmenbedingungen auseinandersetzt, ist längst überfällig. Sonst verstärkt sich der Pflege- und Ärzt*innenmangel in Berlin und bundesweit demnächst von selbst – niemand hat im Jahr 2018 noch Lust auf verstaubte Rollenmuster und Diskriminierung durch vermeintliche Götter in Weiß.

Jana Lapper