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Eigen + ArtHeilige Straßenkehrer oder wie Jörg Herold Rom wahrnahm

Jörg Herold, „Absolutes Numinosum“, 2018, (Installationsansicht in der Galerie Eigen + Art Berlin) Foto: Uwe Walter, Berlin

Betritt man den Galerieraum, trifft man zunächst auf blau-weiße Zeichnungen, protestantisch karg an der weißen Wand angebracht, und eine zweistündige Videoprojektion, bevor man hinabsteigt in eine rotglühende Unterwelt bunter, übermalter Fotografien und getaggter, flirrender Fadenvorhänge. Sichtbar eine komplexe Angelegenheit, Jörg Herolds „Absolutes Numinosum“. Es lohnt sich aber, sie aufzudröseln.

Der Künstler, der den Sommer als Stipendiat der Villa Massimo in Rom, also im Zentrum des Weltkatholizismus, verbracht hat, rekapituliert seine Einblicke in den Alltag der italienischen Metropole. Er lädt die Migranten, die er die Straßen säubern und mit dieser unaufdringlichen Dienstleistung eine Verdienstmöglichkeit und Integration suchen sieht, zu einem Gespräch in sein Studio ein, das er aufzeichnet.

Bis 20. 12., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Auguststr. 26

Dann schließt Herold diese Begegnungen mit seiner Lektüre von Rudolf Ottos Abhandlung über das Numinose kurz, der es in einer berühmten Schrift als „das Heilige minus seines sittlichen Moments und … minus seines rationalen Moments“ definierte. Jenseits von Moral und Vernunft scheinen auch wirklich die in Gold und kostbare Steine gebetteten Reliquien angesiedelt zu sein, die in sämtlichen Kirchen der Stadt zu finden sind, und denen besondere Wirk- und Heilkraft zu gesprochen wird. Herold bettet ihr Bild noch einmal in Ölfarbe, als wolle er sie schützen gegen die profane Welt mit ihren profanen Markierungen, aber vielleicht taggt er sie damit genauso wie draußen die Kids die Kirchenmauern? (wbg)

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