„Mittelstand nicht im Regen stehen lassen“

ENERGIEPOLITIK Eine zu starke Senkung der Solarförderung würde den Markt abwürgen, sagt die DIW-Ökonomin Claudia Kemfert. Und im Vergleich zu Kohlesubventionen sind die Fördersummen gering

■ 40, leitet die Klima-Abteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Sie ist Professorin für Energieökonomik an der Hertie School of Governance.

taz: Frau Kemfert, von allen Seiten wird derzeit gegen die angeblich zu hohe Förderung der Solarenergie geschossen. Zu Recht?

Claudia Kemfert: Man sollte sehr vorsichtig sein. Denn man darf nicht die aktuellen Verkaufspreise mit den Produktionskosten verwechseln. Wegen der Wirtschaftskrise gibt es im Moment, wie in vielen anderen Märkten, eine Sondersituation. Und einige Unternehmen versuchen dem mit Dumpingpreisen entgegenzutreten. Man sollte den Markt sehr genau prüfen und im kommenden halben Jahr beobachten, ob sich das niedrige Preisniveau so stabilisiert. Wenn im Solarmarkt langfristig deutliche Kostensenkungspotenziale vorhanden sind, dann spricht nichts dagegen, die Fördersätze anzupassen.

Argumentiert wird vor allem mit Zahlen des RWI. Demnach ergeben sich Kosten in Höhe von 35 Milliarden Euro allein für die Anlagen, die zwischen den Jahren 2000 und 2008 installiert worden sind. Wie aussagekräftig sind diese Zahlen?

Ich halte diese Rechnung für irritierend und für die Bürger schwer verständlich. Zum Vergleich: Die Kernenergie hat man mit 40 Milliarden Euro gefördert, deutsche Steinkohle mit knapp 130 Milliarden. Wenn Ökonomen grundsätzlich Subventionen ablehnen, muss man das akzeptieren. Die Energieversorgung ist ein wichtiges Gut, neue Technik sollte man finanziell unterstützen. Die Solartechnik ist ein Markt, dem die Zukunft gehört. Der Markt wird boomen, und deutsche Anbieter haben einen Wettbewerbsvorteil.

Die Kritiker argumentieren, dass der ökologische Effekt dieser neuen Technik sehr gering sei. Immerhin betrage der Anteil des Solarstroms am Gesamtstrommix lediglich ein Prozent.

In Deutschland ist der Markt für Solarstrom in der Tat begrenzt. Aber es ist eine Technik, die weltweit immer mehr zum Einsatz kommen wird. Die USA setzen verstärkt auf Solarenergie, China ebenso. Weltweit ist das Potenzial für Solarenergie immens. Indem wir die Solartechnik in Deutschland fördern und die Unternehmen fit machen für den internationalen Markt, erschließen wir wichtige Marktpotenziale.

Aber verzerrt die jetzige Förderung nicht und hält den Weltmarktpreis künstlich hoch?

Man muss jetzt in der Tat schauen, was der internationale Wettbewerb sagt. In Spanien hat im Übrigen eine Deckelung der Fördersätze dazu geführt, dass die Technik immer weniger eingesetzt wird. Man sollte die Marktgesetze berücksichtigen, aber nicht die Branche unnötig in Gefahr bringen.

Die neue Bundesregierung will die Förderung kürzen, Details sind aber noch offen. Was erwarten Sie von der neuen Koalition?

Ich erwarte keine grundsätzliche Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Vielleicht wird die neue Regierung eine Förderkürzung bei der Photovoltaik um über die vereinbarten 10 Prozent hinaus vereinbaren. Eine Senkung um 30 Prozent in einem Jahr würde aber die deutschen Unternehmen zu sehr gefährden und den Markt abwürgen. Die schwarz-gelbe Regierung, insbesondere die FDP, hat sich ja für den Mittelstand ausgesprochen. Die Solarbranche besteht fast ausschließlich aus mittelständischen Unternehmen, diese wird man nicht im Regen stehen lassen. INTERVIEW: NADINE MICHEL