Weltnomadenspiele in Kirgistan: Auch Deutsche unter den Teilnehmern
Tote Ziegen jagen, Knochenwerfen und Horsewrestling: Unser Autor hat an den Weltnomadenspielen in Kirgistan teilgenommen.
Es ist Anfang September, die Mittagssonne wirft ein grelles Licht auf Tscholponata, die kleine Stadt am Fuße des Bergsees Yssykköl, und ein eifriger Polizeibeamter greift nach meinem grünen Badge mit dem Aufdruck „Athlete“, mustert das Foto, dann mich und fragt schließlich: „Germanija?“ Ich nicke. „Willkommen“, sein Mund verbreitert sich zu einem Grinsen und er schiebt mich durch die Sicherheitskontrolle, hinein in ein wildes Durcheinander aus bunten Farben und unbekannten Sprachen.
Schaschlikrauch weht mir entgegen. Orientierungslos stehe ich zwischen Mongolen in bestickten Gewändern und zwei pakistanischen Ringern, die für Fotos posieren. Wie jemand, der unverkleidet auf eine Faschingsparty gegangen ist. Noch bin ich unsichtbar, man kann mir die Nationalität nicht an der Kleidung ablesen, aber in Gedanken sehe ich schon die deutsche Flagge, wie sie über mir im Wind flattert, wenn ich zusammen mit 1.500 anderen Sportlern in das Stadion einlaufe. Ich bin in Kirgistan, zur Eröffnung der Weltnomadenspiele 2018, einer Art Olympiade für traditionelle, nomadische Wettkämpfe.
Wobei die Bezeichnung Sportler in meinem Fall nicht ganz zutreffend ist, denn körperlich herausfordernd ist die Disziplin, in der ich antrete, wirklich nicht. In der Regel sitze ich dafür auf einem bequemen Stuhl, vor mir ein Tisch mit einem hölzernen Spielbrett, darauf 162 nussähnliche Murmeln und mir gegenüber ein Mensch, der gerne die Mehrheit dieser Murmeln für sich haben würde. Dieses Spiel nennt sich Toguz Korgol, es gehört zur Gruppe der Mankalaspiele und angeblich haben die zentralasiatischen Nomaden es schon vor Hunderten von Jahren gespielt.
Es ist eine der ungefährlicheren Disziplinen bei den Nomadenspielen. Andere Sportarten wie Falkenjagd, Horsewrestling oder Kok Boru – eine Art Pferdepolo, das mit einer toten Ziege gespielt wird – sind da schon spektakulärer. Für die Kirgisen sind die Spiele so etwas wie ein Volksfest. Das ganze Land ist im Ausnahmezustand, wenn am Yssykkölsee eine Woche lang Bogenschützen, Reiter oder Ringer gegeneinander antreten.
Das Herz der Nomadenspiele befindet sich in der Hochebene Kyrtschyn, zwischen den schneebedeckten Gipfeln des Tianshangebirges, etwa eine Stunde entfernt vom Stadion. Hier finden Disziplinen wie Bogenschießen, Falkenjagd oder Ordo statt – Knochenwerfen. Ein Dorf aus Jurten, zwischen denen sich kleine Jungen mit Adlern auf den Armen tummeln und in dem es überall nach gegrillten Lammspießen riecht. Es gibt eine hölzerne Bühne, auf der Gesang- und Kostümwettbewerbe stattfinden, und einen „Ethnomarkt“, auf dem man Wolfsfelle und Stutenmilch kaufen kann. Es ist das Kirgistan, wie man es aus Filmen kennt, das Jurtendorf symbolisiert, worum es gehen soll bei den Spielen: um die Pflege nomadischer Traditionen und Lebensweisen.
Ein Teil des deutschen Teams hat sein nomadisches Erbe irgendwo zwischen Mittelalter und Oktoberfest verortet. Da ist Frank, der Bogenschütze, der eigentlich aus Berlin-Lichtenberg kommt und nur hier Lederhosen trägt, weil „hier passt dit irgendwie“. Da sind der Michi und der Stefan aus Regensburg, drei Bogenschützinnen, die alle zu verschiedenen Turnieren auf der ganzen Welt reisen. Zwei Ringer, Lehrer Viktor mit seiner Gruppe Tänzerinnen und Tänzer, die extra für das Pausenprogramm eingeflogen wurden und alle aus russlanddeutschen Familien stammen und Deutschlandkappen tragen. Und eben wir, die drei Brettspieler, mein Freund Jojo, Katharina und ich, die wir so völlig aus der Reihe fallen, ohne irgendetwas, das erkennbar auf unser Zugehörigkeit zum deutschen Team hinweist.
Wie ein Faschingszug
Als Frank gerade die Legende über den Yssykkölsee mit dem Satz „Ik find dit so ne geile Jeschichte“ beendet hat, setzt sich die Kolonne langsam in Bewegung, hinunter auf die Sandbahn, vorneweg Frank, die Fahne schwenkend. Wieder das Gefühl: wie ein Faschingszug. Dann wird es plötzlich hell, denn wir laufen in ein Meer aus Scheinwerfern, „Germanija. Germany“ ertönt es aus den Lautsprechern, die Zuschauer jubeln uns zu. Vor mir winken die beiden Frauen im Dirndl in Richtung Tribüne, eine der beiden ermahnt mich, nicht aus der Reihe zu tanzen („Das sieht scheiße aus“), Katharina filmt, Viktor, der Tanzlehrer, springt wild herum wie einer, der zu lange stillgestanden ist, die Zuschauer flippen aus, also winke ich einfach auch, und es fühlt sich gar nicht so komisch an wie gedacht.
Wir laufen vorbei an der VIP-Tribüne, ich spüre, wie meine Hand inzwischen automatisch winkt, als wäre sie darauf programmiert, und erst später erfahre ich, dass sie auch dem türkischen Präsidenten Erdoğan zugewinkt hat, und ich verfluche sie für dieses unpolitische Gewinke. Aber nach drei Minuten ist alles vorbei, bis auf Frank, der sich mit den anderen Fahnenträgern in der Mitte des Stadions positioniert, werden wir hinausgeleitet. Als der kirgisische Präsident die Spiele offiziell eröffnet, sitze ich schon wieder im Bus zurück zum Hotel. Hinter mir höre ich den türkischen Ringer, der irgendwas von „Schweinsteiger“ und „Schnitzel“ erzählt, aber da fallen mir schon die Augen zu.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich so weit gereist bin, um Murmeln über ein hölzernes Spielbrett zu bewegen. Vor zwei Jahren fanden die Spiele zum zweiten Mal statt. Ich machte zu der Zeit gerade ein Praktikum bei einer deutschen Zeitung in Kasachstan, und der Kollege meiner Chefin, Moritz, damals Sprachassistent am Goethe-Institut in Bischkek, war eingeladen worden, an den Spielen teilzunehmen. Einzige Bedingung: Er müsse ein Brettspiel namens Toguz Korgol spielen.
Wie Moritz darauf kam, mich mitzunehmen, weiß nicht mehr. Jedenfalls saß ich zwei Wochen nach meiner Zusage einem liebenswerten, aber auch etwas kurzsichtigen älteren Tschechen gegenüber und gewann zu unserer beider Überraschung meine allererste Partie eines Spiels, dessen Namen ich mir nicht merken konnte (Toguz was?) und dessen Regeln mir Moritz erst einen Abend zuvor bei einem Bier erklärt hatte („Also es gibt auf jeder Seite neun Kasane mit jeweils neun Korgols und das Ziel ist es, mindestens 82 Korgols zu gewinnen. Dann gibt es noch den Tuss, das ist eine Art Joker, aber den kann man nur legen, wenn …“).
Ein Foto dieses Aufeinandertreffens hängt nun in der Küche meiner Berliner Wohnung – für mich war meine kurze und klanglose Toguz-Korgol-Karriere damit beendet. Ich hatte daher zunächst gezögert, als Moritz mich fragte, ob ich wieder mitkommen würde – aber kann man so etwas wirklich absagen? Nein. Das ist jetzt halt mein Ding, dachte ich mir. So wie andere nach Indien fliegen, um zu meditieren, oder nach Spanien, um sich mit Tomaten zu bewerfen.
Kurz vor dem Flug hatte ich zum ersten Mal die App für Toguz Korgol, die ich bis dahin für unbesiegbar gehalten hatte, geschlagen. Der Ehrgeiz aus Fußballerzeiten meldete sich zurück, in Gedanken liebäugelte ich schon mit einem Platz unter den ersten Zehn. Und dann waren wir schon da: Unser Hotel, in dem auch die Spiele stattfinden, ist ein nagelneuer Komplex, bestehend aus identischen Ferienhäusern. Eines davon teile ich mir mit anderen deutschen Brettspielern, einem holländischen Pärchen, das – so wie ich letztes Mal – schon am Namen Toguz Korgol verzweifelt und nun trotzdem hier gelandet ist, weil Freunde den Spielleiter in Bischkek kennen. Und mit Aibek aus Russland, der hier am Yssykkölsee geboren ist.
Ein paar Russen in Badehosen
Bis zum Strand sind es nur wenige Meter. Davor liegt das türkisklare Wasser des Yssykkölsees, des zweitgrößten Bergsees der Welt und Kirgistans größter Schatz. Yssykkölsee bedeutet übersetzt warmer See. Was ein Witz ist, denn richtig warm wird das Wasser hier, auf 1.500 Metern, nicht einmal im Hochsommer. Im Norden ragen die kantigen, schneebedeckten Gipfel des Tianshangebirges in den Himmel, als hätte man sie ausgeschnitten und auf blauen Hintergrund geklebt.
Bis auf ein paar Russen, die in Badehosen um Bierdosen stehen, und einem Angler, der morgens einsam am Wasser sitzt, ist der Strand die meiste Zeit leer. Am Rand liegt eine unbenutzte Hüpfburg wie ein geplatzter Luftballon, daneben sind einige Tretboote und Jetskis. Die Hauptsaison ist vorbei, die Luft schon kühl, nur die Sonne wärmt noch immer.
Ich fühle mich wie bei einem Sanatoriumsaufenthalt. Der Tag hier hat einen klaren Rhythmus: Neun Uhr Frühstück, 13 Uhr Mittagessen, 19 Uhr Abendessen. Dazwischen schwimmen, Gemeinschaftsaktivitäten und Toguz Korgol spielen. Auf den kleinen Wegen zwischen Rosenbeeten und Akazien, auf denen sich Eichhörnchen jagen, begegnet man anderen „Patienten“ mit Handtuch und Badeschlappen. Da ist zum Beispiel der Hüne aus dem Commonwealthstaat Antigua und Barbuda, der eigentlich wegen des afrikanischen Spiels Oware hier ist und dessen stoischer, geistesabwesender Blick mich bei den letzten Spielen so aus dem Konzept gebracht hatte, dass ich mich mehrmals verzählt habe. Da ist Oskar aus Kolumbien, der einen Klub für intellektuelle Spiele leitet und der hier eine Art Held ist, weil er der Einzige ist, der nicht aus Zentralasien stammt und trotzdem eine Ahnung von Toguz Korgol hat. Oder die beiden Typen aus Sri Lanka, die eigentlich nur die indische Variation von Mankala spielen und die man nur zu zweit antrifft. Auch abends, wenn alle in ihre Häuschen verschwinden, sitzen sie am Steg und trinken Bier mit Whiskey.
Und dann natürlich die Kirgisen, Kasachen und Mongolen, die Profis in ihren uniformen Trainingsanzügen, die man nur während der Mahlzeiten sieht. Für sie geht es hier um etwas. Um den Sieg, um die Ehre, aber auch um Geld. Immerhin 70.000 Som, das sind knapp 900 Euro, bekommt der Erstplatzierte. Das ist ungefähr so viel wie das durchschnittliche Einkommen für ein halbes Jahr.
Zwei Jahre lang wurden die besten Spieler Kirgistans ausgewählt, erzählt mir einer der Schiedsrichter. Einer ist erst 14 Jahre alt, und mir wird etwas unwohl bei dem Gedanken, von einem Zehntklässler abgezogen zu werden. Aber es ist nicht nur das. Ich spüre auch so etwas wie Scham, nur zum Spaß hier zu sein, während es für die Kirgisen eine Ehre ist, an den Spielen teilzunehmen.
„Please start now!“
Dieses Gefühl verfolgt mich auch am nächsten Morgen, als wir alle im Spielsaal über der Kantine des Hotels in zwei Reihen vor den zugehörigen Fahnen stehen und ich noch den Wodka der letzten Nacht in meinem Atem spüre. Warum wir auch gerade einen Abend vor Spielbeginn in der Disco des Nachbarhotels zu russischen Popsongs tanzen mussten? Dann ertönt die kirgisische Hymne und der Vizepräsident der internationalen Spielervereinigung, der am vorigen Abend auch einer der letzten auf der Tanzfläche war, hält seine Eröffnungsrede.
Der sterile Hotelraum mit dem grünen Teppichboden, die kirgisischen Schiedsrichter mit ihren golden verzierten Westen und den langen Hüten, die zwischen den Tischen umhergehen. Vor mir das hölzerne Spielbrett mit den 162 Murmeln. Alles ist in etwa so, wie ich es in Erinnerung hatte. Nur sitzt mir dieses Mal Ezzeddine Bouzid aus Tunesien gegenüber, Professor für Mathematik und Unesco-Experte für intellektuelle Spiele. Während er mir von seiner Doktorarbeit über intellektuelle Spiele in der Antike und im 20. Jahrhundert erzählt, schiele ich zu dem roten Siegertreppchen am Ende des Raums und stelle mir vor, was hier wohl los wäre, wenn da ganz oben statt eines Kasachen oder Kirgisen plötzlich ein unbekannter Deutscher stünde. Der Beginn einer großen Karriere! Endlich hätte ich einen Grund, mein Studium zu schmeißen und mein Leben lang …
„Please start now!“ Die Stimme des Spielleiters reißt mich aus meinen Träumereien. Ezzedine Bouzid fährt die Hand aus, greift nach neun Murmeln, lässt sie, die Hand leicht zittrig, aber ohne eine einzige zu verlieren, eine nach der anderen zielsicher in die Kuhlen fallen – bis er die letzte erreicht hat, sich den Inhalt schnappt und mit der anderen Hand auf die Uhr drückt: Acht auf sieben, die Standarderöffnung.
Nach knapp 90 Minuten habe ich den Professor für Mathematik geschlagen. Auftaktsieg, denke ich. Und dann kommt Akim, der Schiedsrichter, der zu DDR-Zeiten als Soldat der Sowjetarmee in Ravensbrück stationiert war, grinsend auf mich zugelaufen, „ich beglückwünsche dir“.
Mein nächstes Spiel gegen den dreimaligen Weltmeister aus Kasachstan findet an einem jener Tische statt, deren Geschehen live per Kamera übertragen wird. Hier läuft es weniger gut und ich bin froh, als mich mein gelangweilter Gegner nach fünfzig Minuten endlich gehen lässt. Auch gegen den schlaksigen Amerikaner, der so fürchterlich zittert, dass ich mich frage, ob er mich fürchtet oder ihm einfach nur kalt ist, verliere ich schließlich.
Doch dann, am vierten Tag, endlich das erhoffte Erfolgserlebnis: Einen der beiden Teilnehmer aus Sri Lanka locke ich erfolgreich in eine Falle. Als er es merkt, ist es schon zu spät und die Mehrheit der Murmeln liegt auf meiner Seite. „Okay, okay, no problem“, sagt er nur und flieht in die Obhut seines Teamkollegen.
Die Liebe zu den Traditionen
Wir Brettspieler leben hier gewissermaßen in unserem eigenen kleinen Kosmos, abgeschnitten von den anderen Athleten und ohne Anwesenheit von Zuschauern. Man denkt vermutlich, dass wir viel Ruhe brauchen, um unsere intellektuellen Fähigkeiten zu schonen. Dafür hat man uns ein eigenes Programm organisiert. Abends gibt es Workshops für afrikanische und asiatische Brettspiele, nachmittags eine Bootstour.
Während wir so unsere Tage verbringen, finden im nahegelegen Stadion Pferderennen, Horsewrestling und Kok Boru, das Spiel mit der toten Ziege, oder auch „Rugby on a horse“, wie die Amerikaner sagen, statt. Dabei steht der Sieger schon vorher fest: Kirgistan. Vor zwei Jahren war ich beim Finale zwischen Kirgistan und Kasachstan dabei. Damals fand ich es noch skurril, wie das Publikum feierte, wenn die Reiter an dem Kadaver zerren, ihn förmlich zerreißen, ihn sich dann einer unter den Oberschenkel klemmt und schließlich per Salto samt dem toten Tier in einem der Bottiche landen.
Doch für die Kirgisen geht es hier um mehr als nur Unterhaltung. Die Nomadenspiele sind Teil eines Landes auf Identitätssuche. „Ich bin so stolz auf unser kleines Land. Die ganze Welt kann sehen, wie großartig unsere Traditionen sind“, sagt mir ein Kirgise am Rande der Abschlussparty in der VIP-Lounge des Stadions am vorletzten Abend.
Für einen Moment steht sein Heimatland im Mittelpunkt. Dieses Land, das zeigen will, dass es trotz siebzig Jahren Sowjetregime seine eigene Identität bewahrt hat. Und das seine Zukunft nun doch wieder in der Vergangenheit sucht. „Wir müssen uns an unsere Geschichte erinnern“, sagt er.
Auf dem Dancefloor wippen ein paar betrunkene Schweden hin und her. Mein letzter Gegner aus Ski Lanka tanzt mit ausgestreckten Armen in einem Kreis von Bewunderern und schüttelt den Kopf dabei wie jemand, der die Kontrolle über seinen Körper an eine höhere Macht abgetreten hat – oder wie jemand, der Bier mit Whiskey trinkt. Ich sitze mit Katharina und einem bulgarischen Bogenschützen an einem der weißglänzenden Tische. Er erzählt von seiner Begeisterung für Pferde, der Liebe zu den Traditionen. In Sofia unterrichtet er Kinder. Er sagt: „Sie vergessen ihre Wurzeln. Überall gibt es den denselben amerikanischen Scheiß.“
Warum sind Erdoğan und Orbán hier zu Gast?
Und wieder einmal frage ich mich: Wie viel von diesem Event ist Show? Wie viel Fasching, wie viel Politik? Wie vielen geht es hier um kulturelle Identität durch Abschottung, als Gegenentwurf zu Multikulti? Und warum sind ausgerechnet Erdoğan und Orbán hier zu Gast? Dabei sind ja gerade Nomaden Völker, die schon immer Grenzen überschritten haben. Die man gar nicht einem bestimmten Land zuordnen kann.
Als Teilnehmer fühle ich mich ein bisschen wie während meines ersten Erasmus-Semesters in Krakau: ständig diese lästige Frage: „Where are you from?“, die ollen Klischees über Deutsche, Italiener oder Franzosen. Am Ende lernt man die Länder doch auf eine ganz neue Art kennen – und ist gleichzeitig dafür verantwortlich, welches Bild von Deutschland im Ausland vorherrscht. So auch, wenn unser kirgisischer Zimmernachbar Aibek am ersten Tag ungläubig fragt, ob Katharina aufgrund ihrer Hautfarbe wirklich Deutsche ist, und Moritz ihm ganz ruhig erklärt, dass nicht alle Deutschen blond und blauäugig sind.
Für viele Kirgisen ist es die erste Begegnung mit Ausländern aus dem Westen, die sie sonst nur aus dem Fernsehen kennen. Man spürt die Neugier – und die Freude darüber, dass sich Menschen für ihr Land und ihre Kultur interessieren. Manche können gar nicht glauben, dass es im Ausland Leute gibt, die schon mal von Toguz Korgol gehört haben.
Toguz Korgol: Am Ende hat mich dann noch mal der Ehrgeiz gepackt. Ich gewinne die letzten drei Partien. Gegen den Typ aus Uganda mit dem ernsten Blick, gegen den Schweizer Psychologieprofessor, der schon seit zehn Jahren spielt. Und auch gegen den Knirps aus Russland, dessen genau berechnete Strategie am Ende doch nicht aufgeht.
Ich werde Zwölfter! Selbst Kubat, unser Trainer, der auch schon letztes Mal dabei war – weniger um uns zu coachen, als um selbst eine Woche Nomadenspiele erleben zu dürfen – schaut mich ungläubig an. Ganz oben aber stehen natürlich wieder Kirgisen, Kasachen und Mongolen. Ein Deutscher hätte da auch wirklich nichts verloren.
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