Dieses beschissene Wetter

Wir sind zwar Papst, aber beim Wettergott doch die Schmuddelkinder. Die Wasserpreise steigen, und es regnet Bindfäden. Wie passt das alles zusammen? Gewinner und Verlierer eines Sommers, der alles bot, was sonst nur Grönland zu offerieren hat

VON ANDREA WALTER

Eigentlich hätte sich Berlin ein Hoch schon noch leisten können. Es kostet 299 Euro, der Erlös käme dem Meteorologischen Institut der Freien Universität zugute. Wie gerne hätten wir bei den Wissenschaftlern die Patenschaft für ein Druckgebilde übernommen, dass uns ordentlich einheizt. Das Hoch hätte „Berlin“ geheißen, und vielleicht hätte es uns noch einmal einen 11. Juli 1959 beschert? Das ist der bislang heißeste jemals in Berlin gemessene Tag. 37,8 Grad. Doch ein Blick aus dem Fenster genügt. Der Sommer ist ein Herbst, und leere Biergärten erinnern daran, was hätte sein können. Der 11. Juli 2005 trieb das Quecksilber jedenfalls nur auf 27 Grad. Was danach kam, war kein Deut besser. Im Gegenteil. Wir messen den kältesten 10. August seit Beginn der Wetteraufzeichnung vor 100 Jahren. „Isidor“ war schuld, kein Wunder bei dem Namen.

Doch ist alles eine Frage der Perspektive. Dieser Sommer war nicht nur für die unterirdischen Grundwasserreservoirs ein echter Renner. Auch für die Ärzte war er gar nicht übel. Atemwegserkrankungen und Fälle schwerer Bronchitis waren in manchen Praxen an der Tagesordnung, Krankheiten, die sonst erst im Oktober und November auftauchen und schön viele kassenärztliche Punkte bringen. Voll gepunktet haben auch die Indoor-Spielplätze. „Jacks Fun World“ in Reinickendorf ist hochzufrieden. Bei über 30 Grad verirren sich nur an die 100 naturscheue Kids in seine Hallen. Bei miesem Wetter kommen bis zu 1.900 kleine Sonnenscheinchen.

Überhaupt, alles was ein Dach über den Köpfen bot, war jahreszeitenuntypisch gut besucht: Kirchen, Kinos, Museen und Bushaltestellen. Auch der Einzelhandel will noch nicht, wie sonst üblich, seine quartalsübliche Umsatzrückgang-Litanei anstimmen. Shop until it dries – einkaufen, bis die Sonne scheint. Und statt am Wannseestrand herumzuölen, sonnen sich Berliner und Besucher lieber in Kultur. Selbst die düsteren Schinken eines Goya verzeichnen wetterbedingt lange Verweildauern.

Deutlicher Verlierer dieser von kalten Island-Tiefs getränkten Region ist der Nährstand. Brandenburg halt mal wieder. Wintergerste, Weizen und Roggen stehen schlecht, erläutert der Ackerbauexperte des Deutschen Bauernverbandes, Andreas Quiring. So ging etwa der Ertrag bei Roggen, der auf den ortsüblichen Sandböden „einzig brauchbaren Kultur“, um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Konnte der märkische Bauer 2004 noch etwa 5,4 Tonnen Roggen pro Hektar ernten, werden es dieses Jahr kaum 4 Tonnen sein. Auch beim Weizen (– 25 Prozent) und bei der Wintergerste (– 15 Prozent) sind Bilanz und Kornqualität mies. Es freut sich das märkische Stallvieh über so viel Futtergetreide.

Können die Bauern ihre Ernte wenigstens noch verfüttern, bleibt für Klaus Lipinsky nur der Blick in leere Kassen. „Das Geschäft war bescheiden“, klagte der Chef der Berliner Bäderbetriebe (BBB) schon Anfang August. Statt der geplanten 2,1 Millionen Euro spülte der Sommer nur 1,35 Millionen in die ohnehin klammen Kassen. Sommer 2005 – da bleibt kein Auge trocken.

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