SCHÄUBLE KANN NICHT VERMITTELN, WELCHE AUSSENPOLITIK DIE CDU WILL
: Demagogie mit Selbstverständlichkeiten

Die Rollen könnten unterschiedlicher kaum sein, die dem Finanzexperten Paul Kirchhof und dem für Außenpolitik zuständigen Wolfgang Schäuble in der Wahlkampfmannschaft von Angela Merkel zugeteilt worden sind. Während der eine den Eindruck von Kühnheit und Mut vermitteln soll, präsentiert sich der andere als Garant für Stabilität und Kontinuität. Letzteres scheint auf den ersten Blick der leichtere Part zu sein, muss doch Schäuble – anders als Kirchhof – wenigstens keine Glaubwürdigkeitslücke schließen, die zwischen seinem Konzept und dem Wahlprogramm der CDU klafft.

Aber er steht vor einem Problem, mit dem 1998 auch Joschka Fischer zu kämpfen hatte: Es ist nicht leicht, Kontinuität zu versprechen und gleichzeitig die politischen Gegner frontal anzugreifen. Schäuble bedient sich eines Tricks, um diese Quadratur des Kreises hinzubekommen. Er betont Selbstverständlichkeiten – und tut so, als sei die Regierung anderer Meinung. Das ist allerdings nicht mehr einfach Wahlkampf. Das ist Demagogie.

Wer würde bestreiten, dass es besser ist, Konflikte mit Verbündeten freundschaftlich auszutragen als in der offenen Konfrontation? Wer würde der Banalität widersprechen, dass jeder Anschein neuer Achsen und Alleingänge vermieden werden müsse? Gewiss weder Schröder noch Fischer. Die entscheidende Frage lautet doch: Was tun, wenn Meinungsverschiedenheiten unüberbrückbar sind? Darauf hat auch Schäuble keine Antwort.

Er ist gewiss zu intelligent um zu glauben, eine so komplizierte Frage wie die nach der künftigen Rolle Russlands ließe sich durch veränderte Teilnehmerlisten bei Konferenzen lösen. Und ihm ist genug an einem guten Verhältnis zu Moskau gelegen, um seine Kritik am Bundeskanzler wegen dessen unangemessen freundlicher Bemerkungen über Präsident Putin derzeit nicht zu wiederholen.

Auch nach der jüngsten Pressekonferenz von Schäuble ist man also kaum klüger hinsichtlich des neuen Kurses in der Außenpolitik. Das liegt allerdings nicht nur an ihm. Sondern auch daran, dass ihn etwas mit Kirchhof verbindet: Beide werden in einem Kabinett Merkel vermutlich nicht Minister werden. Der neue Kurs bleibt nebulös, solange nicht feststeht, wer steuern soll. BETTINA GAUS